Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
lasse mich auf einen Sessel neben dem Fernseher sinken. Coop starrt an mir vorbei auf den Bildschirm, der sich in seinen Augen spiegelt.
»Ich wollte Sie nach Caro fragen.«
»Ich höre.«
»Wie war sie?«
Coop holt abgerissen Luft und scheint sie anzuhalten.
»Ich wollte einen Jungen«, sagt er schließlich. »Ich war völlig sicher, dass Caro ein Junge werden würde. War ein ziemlicher Schock, als sie rauskam. Ich dachte, irgendwas wär schiefgelaufen. ›Es ist ein Mädchen‹, sagte ich, und Philippa meinte: ›Wirklich, Coop?‹ Ich hab extra noch mal nachgeguckt.«
Auf dem Bildschirm singt Caro jetzt in ein Spielmikrofon,
sie trägt ein Kleid ihrer Mutter, das ihr immer wieder von den Schultern rutscht.
»Ich hab sie groß werden sehen«, sagt Coop. »Hab ihr Lächeln und ihre Schritte gezählt. Sie war zehn Monate alt, als sie die ersten Schritte von diesem Sessel zu dem gemacht hat, auf dem Sie sitzen. Sie hatte es immer eilig. Ich konnte sie nicht dazu bringen, es ein bisschen langsamer angehen zu lassen. Sogar mit dem Heiraten hatte Caro es eilig. Ihre Wahl hat mir nicht gefallen, ich hab dem Kerl nie getraut, aber Caro liebte ihn. Ich hab die Hochzeit bezahlt, ein teures Essen in einem schicken Restaurant. Hab sie zum Altar geführt. Sie war eine schöne Braut.«
Coop sieht mich fragend an. »Es war die Hochzeit meiner Kleinen, aber Gordon hat uns in eine Ecke abgeschoben und uns behandelt wie Dreck, weil wir kein Geld und keine Beziehungen hatten.«
»Wann war das?«
»Das ist jetzt sieben Jahre her«, antwortet Coop. »Danach war Caro nicht mehr dieselbe. Gordon hat irgendwas mit ihr gemacht.«
»Was hat er gemacht?«
Er zuckt mit den Schultern. »Das weiß ich nicht genau, aber sie lächelte nicht mehr.«
Er dreht langsam das Glas in seiner Hand.
»Wenn ein Kind beide Eltern verliert, ist es eine Waise. Aber es gibt kein Wort für Eltern, die ein Kind verlieren.«
»Nein.«
»Manchmal bete ich. Ich bin nicht besonders gut darin. Aber ich bete trotzdem, dass er ihre Leiche nicht irgendwo vergraben hat, wo es kalt ist. Ich bete, dass meine Caro im Himmel ist. Daran hat sie nämlich geglaubt. Kann ich von mir nicht behaupten. «
Der Bildschirm flackert, neue Bilder erscheinen. Caro im Alter von zehn auf einem Riesenrad. Jedes Mal, wenn es am
Boden vorbeikommt, winkt sie in die Kamera, ihr Kleid zwischen die Knie geklemmt, damit es nicht hochweht.
»Wie heißen Sie?«, fragt Coop.
»Joe.«
»Haben Sie sich je gefragt, ob der Schmerz darüber, ein Kind zu verlieren, genauso groß ist wie das Glück, Vater zu werden ?«
Er wartet meine Antwort nicht ab.
»Ein beschissener Vergleich ist das, sag ich Ihnen. Wenn man Vater wird, freut man sich über alles: den ersten Schritt, das erste Lächeln, das erste Wort, das erste Mal, dass sie Fahrrad fährt, auf einen Baum klettert und zur Schule geht, ihren ersten Schulball, ihre erste Verabredung, ihren ersten Kuss. Man freut sich über jeden Geburtstag, jedes Weihnachten, jeden Traum, den sie hat. Das lässt sich mit überhaupt nichts vergleichen.
Wenn man ein Kind hat, glaubt man, das Leben hat einen Sinn, wissen Sie. Es ist nicht so, als hätte man eine Heilung für Krebs entdeckt oder wäre Kapitän der schottischen Nationalmannschaft, aber man hat ein Kind. Man hat etwas hinterlassen. «
Seine Stimme hat angefangen zu zittern, und seine Brust bebt. Er beißt fest in seine Faust.
»Wollen Sie wissen, was das Schlimmste ist?«, fragt er, die Worte mühsam herauspressend. »Ich bin wütend auf meine Caro. Ich will mit ihr schimpfen, ihr Hausarrest geben und sie in ihr Zimmer schicken. Ich will ihr sagen, dass sie nicht ausgehen kann. Ich will verhindern, dass sie groß wird, das Haus verlässt und heiratet.
Ich bin wütend, weil sie uns unser Leben geraubt hat – wir sind mit ihr aufgestanden und ins Bett gegangen. Wir haben überlegt, auf welche Schule sie gehen und was sie in den Ferien machen soll. Wir haben ihre Zukunft geplant. Welche Zukunft? Für all die Liebe und all den Schmerz kriegen wir jetzt das! Welchen verdammten Sinn soll das haben?«
»Eines Tages werden Sie anders denken, Coop.«
»Und was soll ich denken?«
»Zum Beispiel an Ihre Frau in der Küche.«
Er nickt, als hätte er einen verdienten Tadel kassiert.
»Ich hab mich schuldig gefühlt, weil ich Caro nach ihrer Geburt mehr geliebt habe als Philippa.«
»Sie haben sie beide geliebt.«
Er nickt. Wieder kommt ein neues Bild auf den Bildschirm. Caro ist
Weitere Kostenlose Bücher