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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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in einer Besprechung mit dem Geheimdienst. Kann ich Sie später zurückrufen?«
    »Nein. Ich möchte nur den Namen wissen. Das ist eine wirklich einfache Frage.«
    »Ihr Ton ist unangemessen«, gab Tassell zurück.
    »Möglich, aber ich brauche nur den Namen.«
    »Wo liegt denn das Problem?«
    »Vielleicht gibt es gar keins«, sagte Joe. »Ich denke, Sie sitzen in einer Besprechung und haben keine Zeit?«
    »Hab ich auch nicht, aber …«
    »Sheriff, es geht um frei zugängliche Informationen. Ich wollte nur Zeit sparen und nicht selbst nachsehen.«
    Tassell seufzte erneut. »Doktor Shane Graves. Er lebt auf halbem Weg nach Pinedale. Wir teilen ihn uns mit Sublette County, weil beide Landkreise ihn kaum brauchen.«
    »Danke.«
    »Joe, geben Sie mir Bescheid, falls Sie was finden.«
    »Mach ich«, sagte er und dachte: War das nun so schwer?
    Joe erreichte Dr. Graves auf seiner Ranch, wo dieser, wie er ihm mitteilte, auch die Akten und Fotos aufbewahrte. Er klang gebildet, kultiviert, aristokratisch und ganz anders als Joe erwartet hatte.
    »Wenn ich vorbeikomme, kann ich mir dann Ihren Bericht ansehen?«
    Graves zögerte. »Ich hab den ganzen Tag lang zu tun und wollte den Abend eigentlich mit meinem Gefährten verbringen. Ist es denn dringend?«
    »Ja«, sagte Joe, denn alles, was ihn von Stella Ennis ablenkte und ihn dazu brachte, sich wieder auf Wills Selbstmord zu konzentrieren, erschien ihm eilig. »Ich muss schnellstmöglich ins Gelände aufbrechen und will vorher möglichst viel erledigen.«
    »Also gut«, erwiderte Graves matt. »Sie können heute Abend gegen sechs vorbeischauen. Ich erkläre Ihnen, wie Sie zu mir finden.«
    Joe notierte die Wegbeschreibung.
    »Dann bis heute Abend.«
    »Sie haben gar keine Bemerkung gemacht. Das erstaunt mich«, meinte Graves geziert.
    »Worüber?«
    »Über meinen Namen: Graves, also Gräber – die meisten Leute geben ihren Kommentar dazu ab, dass ich als Rechtsmediziner so heiße.«
    »So schlau bin ich nicht«, gab Joe zurück und war froh, seine Annahme, Graves spreche über das Wort Gefährte , nicht geäußert zu haben.
    Den Nachmittag verbrachte er auf der Koppel, um sich mit Will Jensens Packpferden vertraut zu machen. Zwei davon mochte er sehr, einen schwarzen Wallach und eine Buckskin-Stute, die ihn an ein Pferd erinnerte, das er einst besessen hatte. Beide wirkten ruhig und schreckten nicht zurück, als er sie sattelte oder ihnen die kastenförmigen Taschen auflegte, in denen er seine Ausrüstung transportieren würde. Die Tiere waren wohl genährt und in guter Verfassung. In Anbetracht dessen, was er mit ihnen vorhatte, mussten sie das auch sein.
    Die Fahrt von Jackson in Richtung Süden zog sich länger hin als geplant, weil er hinter einem Schulbus hing, aus dem an jedem Feldweg Kinder stiegen. Bei jedem Stopp musterte Joe die Häuser, die verstreut in der Flussebene standen, und wunderte sich, wie gepflegt alles war. Im Vergleich zu Jackson, das von bergigen Bundeswäldern und Nationalparks umgeben war, erschien ihm das Tal wie eine glitzernde Insel inmitten dreitausend Meter hoher Wellen.
    Am Hoback Canyon bog der Bus nach Pinedale ab, und Joe schaute seufzend auf die Armbanduhr. Er würde es nicht mehr rechtzeitig zu Dr. Graves schaffen.
    Der Canyon trat ihm im kupferfarbenen Abendlicht derart plastisch und intensiv entgegen, dass ihn der Anblick fast schmerzte. Die Straße folgte den Biegungen des Hoback River.
    Auf einer Geraden sah er in den Rückspiegel. Eine lange Fahrzeugkette zockelte dem Bus nach, und viele der Fahrer telefonierten oder trommelten ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad ihres Geländewagens.
    Während er den Kindern dabei zusah, wie sie mit ihren Rucksäcken, Halstüchern und Armbändern aus dem Bus stiegen und nach Hause zogen, dachte Joe an Sheridan, Lucy und Marybeth. Würde es Sherry mit ihren pubertären Ängsten und festen Ansichten hier gut ergehen? Das konnte er sich kaum vorstellen, doch mit der Vorstellung, dass sie alle in Saddlestring blieben, tat er sich genauso schwer. Würde Marybeth es hier mögen?
    Ob Marybeth und Stella Ennis in ein und derselben Stadt leben könnten? Jackson, dachte er mit heftigem Schuldgefühl, ist nicht groß genug für beide.

22. KAPITEL
    Marybeth Pickett hatte Nudelwasser aufgesetzt und wog gerade Spaghetti für drei Personen ab, als es kräftig an die Haustür pochte.
    »Machst du bitte mal auf?«, bat sie ihre Tochter, die am Küchentisch arbeitete.
    »Ich erledige meine Hausaufgaben.«
    »

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