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Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Titel: Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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ist ein Missverständnis.
Ich würde mir niemals etwas antun. Ich kann mir nicht mal einen Finger in den
Hals stecken, wenn mir übel ist. Es ist komplizierter. Wann kann ich Sie
treffen? Ich möchte mich nur unterhalten.«
    Ich hörte im
Hintergrund Papierrascheln, als blätterte er in einem Buch, wahrscheinlich
einem Kalender. Er tat dies sehr vorsichtig, ich sollte es wohl nicht hören.
    »Würde Ihnen der
kommende Freitag passen? Ich bin ab morgen wieder in Münster.«
    Natürlich nicht,
das lag außerhalb meiner Vier-Tage-Frist.
    »Wenn es geht,
würde ich gern morgen schon kommen«, sagte ich und machte eine bedeutsame
Pause. »Es geht mir nicht besonders gut.«
    »Ich bin morgen
viel unterwegs. Kann ich auch zu Ihnen kommen?«
    Ich schaute mich
in meiner Wohnung um, als hinge die Antwort vom Zustand meiner Möbel ab. Das
war Blödsinn, ich war stolz auf meine Wohnung.
    »Wenn Sie das
einrichten können, wäre mir das sehr recht. Ich danke Ihnen.« Ich gab ihm meine
Adresse, dankte nochmals und legte auf.
    Dann griff ich
nach meiner Liste. Die Punkte »Mutter besuchen« und »Termin beim Pastor« konnte
ich bereits streichen. Ich starrte auf das Blatt Papier. Sonderlich viel stand
noch nicht darauf. Das Problem war, dass mir die Freude abhandenkam. Ganz
allmählich. Dinge, Aktionen, Pläne verloren an Bedeutung. Und ohne Freude
geriet jede Unternehmung zur Farce. Um nicht ungerecht zu werden, musste ich
mir eingestehen, dass ich die Stunde mit Cornelia Nüßing durchaus genossen
hatte. Vielleicht sollte ich in meinen letzten Tagen nicht so viel Zeit allein verbringen.
    Die Turmuhr der
Kreuzkirche schlug die volle Stunde. Fünf Uhr. Ich hatte noch mehr als zwei
Stunden Zeit bis zu meiner Verabredung und entschied mich für einen Test.
Badewanne, gute Musik und ein Glas Single Malt Whisky sollten maximalen Genuss garantieren.
    Vielleicht hätte
ich nicht Ozzy Osbourne auflegen sollen. Mein Whisky konnte es sicherlich nicht
gewesen sein. Ich lag in dem heißen Wasser, der Schaum von Pfirsichbadeöl umgab
mich, und der Alkohol wärmte mich von innen. Ich winkelte mein rechtes Bein an
und betrachtete die Haut an meinem Oberschenkel, noch leicht gebräunt von einem
kurzen Italienurlaub im Juli. Ich stellte mir vor, wie dieselbe Haut in einer
Woche aussehen würde oder in zwei Wochen: Grau, schlaff, vielleicht würde genau
an dieser Stelle eine Made herumkrabbeln. Schnell streckte ich das Bein wieder
ins Wasser und kippte den Whisky in einem Zug herunter. Der Mensch ist pervers
mit all seiner Intelligenz und Vorstellungskraft.
    Als ich eine
Stunde später aufwachte, war das Wasser tatsächlich trüb und kalt wie ein
Schlammloch und meine Haut durchgeweicht. Ich stellte mich kurz unter die heiße
Dusche.
    Zu versuchen in
vier Tagen möglichst viele sinnvolle und genussreiche Aktionen unterzubringen,
erschien mir plötzlich aussichtslos. Ich sollte besser das Unvermeidliche
akzeptieren. So wie die Helden aus den Büchern, die ich manchmal zu lesen
bekam, die der Tod allenfalls das Leben kostete, niemals aber ihren Stolz oder
ihre Gelassenheit. Mir meiner tragischen Rolle im vollem Umfang bewusst, putzte
ich mich heraus wie für das große Finale bei einer Oper.
    Bekleidet mit
einer unauffälligen, aber gut geschnittenen dunklen Hose, einem beigefarbenen
Rollkragenpullover, der meinem Teint und meiner dunklen Haarfarbe schmeichelte,
sowie einem Jackett, das mir als Jacke diente, verließ ich das Haus.
    Cornelia Nüßing
wohnte nicht, wie ich erwartet hatte, in ihrem Elternhaus in Rheine bei ihrem
schriftstellernden Bruder, sondern war vorübergehend in die Wohnung einer
Freundin gezogen, die solange bei ihrem Freund untergeschlüpft war.
    Ich fand, dass
eine solche Geste viel über die Qualität einer Freundschaft aussagte, und
überlegte, wem ich meine Wohnung komplett überlassen würde. Wer durfte sehen,
dass ich heimlich Haarfärbemittel im Badezimmerschrank aufbewahrte, die
Pullover akkurat faltete, sich in meiner Unterwäscheschublade aber ein Knäuel
aus alten Fetzen und guten Shorts ballte? Bei wem würde ich gelassen bleiben,
wenn er meine alten Schallplatten begutachtete oder gar auflegte, und welche
Person dürfte sogar meine geheiligten Vorräte an original englischer Marmelade,
die ich mir zwei-, dreimal im Jahr von einem kleinen Geschäft in Winchester
schicken ließ, auf ihr Brötchen streichen?
    Mir fiel nur eine
Person ein, der ich sogar meine Arztrechnungen aus der Urologie gezeigt hätte –
mein

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