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Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi

Titel: Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Vater. Er war ein liebenswerter Chaot gewesen, er hatte mich oft genug
enttäuscht. Aber seine Art, Kleinigkeiten wertzuschätzen und Katastrophen in
Anekdoten umzuwandeln, hatten ihn einzigartig gemacht.
    Ich bog in die
Piusallee ein, eine sehr schöne Straße in der Nähe des Hauptbahnhofs mit alten,
teilweise herrschaftlich wirkenden Häusern und vielen Bäumen, und suchte die
Hausnummer. Die Wohnung von Cornelia Nüßings Freundin lag im Erdgeschoss, und
Cornelia riss die Wohnungstür auf, kaum dass ich den Finger vom Klingelknopf
genommen hatte.
    »Ist Ihnen auch
keiner gefolgt?«
    Zack, flog die Tür
knapp hinter meinem Rücken wieder zu. Ein behaglich wirkender, knarrender
Dielenboden und der köstliche Geruch nach gebratenem Fleisch empfingen mich.
Ich stellte meine Flasche Wein, einen Batasiolio Barolo, Jahrgang 2000, auf den
Tisch und freute mich plötzlich sehr auf das Essen. Der kleine Tisch war
liebevoll gedeckt. In Ermangelung von Tischwäsche, die in einer Studentenwohnung
eher selten war, hatte Cornelia teuer aussehende Servietten als Untersetzer
umfunktioniert und die ramponierte Tischplatte mit einigen Blütenblättern
dekoriert. Die billigen Weingläser strahlten im gemütlichen Kerzenschein.
    Cornelia mischte
mit schwungvollen Bewegungen einen Blattsalat mit Cocktailtomaten.
    »Schauen Sie mal
in der Schublade dort nach einem Korkenzieher. Das ist die einzige, die ich
noch nicht untersucht habe. Oder holen Sie mein Taschenmesser aus der
Handtasche im Sessel. Da ist auch einer dran.«
    Eher würde ich den
Korken aus der Flasche beißen, als dass ich meine Hand in die mysteriösen
Tiefen einer Damenhandtasche stecken würde. Zum Glück blieb mir diese Mutprobe
erspart, und ich fand, wonach ich suchte. Meine Gastgeberin entpuppte sich als
Weinkennerin, denn sie schnalzte mit der Zunge. »Ich fühle mich geschmeichelt,
dass Ihnen der heutige Abend einen so guten Wein wert ist.«
    »Ich befinde mich
momentan in einer Lage, die es mir erlaubt, meine Weinvorräte großzügig zu
verteilen«, erwiderte ich und hoffte, dass sie dies nicht als Prahlerei ansah.
Doch Cornelia war bereits wieder in der Kochnische verschwunden, um gleich
darauf mit vollbeladenen Händen zum Tisch zu eilen. Sie servierte einen bunten
Salat und warmes Ciabattabrot. Es folgten Oliven und Kräuterquark, mit Schinken
umhüllte Datteln, und zu guter Letzt landete ein saftiges Rindersteak auf
meinem Teller, dessen Anblick einem Vier-Sterne-Restaurant zur Ehre gereicht
hätte. Cornelia strich sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren und warf die
bunte Küchenschürze von sich, was bei dieser etwas üppigen, aber sich
geschmeidig bewegenden Frau durchaus erotisch wirkte. Sie trug eine enge
Jeanshose und eine tunikaartige Bluse mit einem interessanten weiten
Ausschnitt. Ein Lederband mit einem silbernen Anhänger in Form einer kantigen
Gürtelschnalle um ihren Hals betonte den schön gerundeten Brustansatz. Um das
alles wahrzunehmen, musste ich sie keineswegs hemmungslos anstarren.
    Als der größte
Appetit gestillt war und wir nur noch hin und wieder an einem Stückchen Brot
knabberten, fragte ich Cornelia nach den Verwandtschaftsverhältnissen.
Neugierig geworden, war ich noch kurz bei meinem Büro vorbeigefahren und hatte
mir das Manuskript ihres Bruders angesehen. Trotzig hatte ich mir jeden Gedanken
daran verboten, dass ich wohl zum letzten Male an meinem Arbeitsplatz war und
hatte sogar noch mein Passwort aktualisiert und meine Bürotasse ausgespült
neben die Espressomaschine gestellt.
    Cornelia zog ein
Stück Brot mehrmals durch die spärlichen Soßenreste auf ihrem Teller, hielt es
in der Luft und verkündete theatralisch: »Ich bin die Urenkelin oder
Ururenkelin eines Mörders.« Dann schob sie sich das feuchte Brot in den Mund.
»Sie haben die Geschichte doch gelesen. Der Mord ist noch immer ungesühnt, die
Rechnung nicht beglichen. Wir schulden der anderen Familie etwas.«
    Sie beugte sich
ein wenig vor. »Bis dato dachten alle, dass Clemens Hovermann sein Glück in der
Ferne gefunden hat oder über die Verbannung so erbost war, dass er nie wieder
etwas von sich hören ließ. Nicht einmal Anton Schulze Nüßing, der zweite
Verbannte, hat doch geahnt, was mit Clemens geschehen war. Das wusste nur mein
Urgroßvater. Und er hat es auf dem Sterbebett seinem Sohn Karl gebeichtet, der
es niederschrieb. Vielleicht wollte er tatsächlich, dass die Wahrheit mal ans
Licht kommt, vielleicht war es auch nur eine Art Beichte für Gott.

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