Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
geflucht, dass der katholische Seelsorger, hätten
ihm die Ohren nur ein wenig geklingelt, ihr sicherlich noch einmal die Beichte
abgenommen hätte.
Ich wusste gar
nicht genau, warum mir ein Gespräch mit einem Mann Gottes so wichtig war.
Vielleicht brauchte ich einen Verbündeten gegen den Tod. Einen, der mir eine
attraktive Perspektive für das »Danach« anbot.
Ich war kein
Atheist, beileibe nicht. Diesbezüglich hatte meine Mutter ihre Erziehung recht
ernst genommen. Aber mit der Adoleszenz – ein wunderschönes Wort aus dem
Lateinischen, als trete man von der Pubertät direkt in den Adelsstand ein –
kamen mir doch zunehmend Zweifel bezüglich der Themen, bei denen Eltern so
komisch stur wurden. Ich glaubte meiner Mutter auch nicht mehr, dass sie sich
von meinem Vater getrennt hatte, weil sie seinen cholerischen, überheblichen
Charakter nicht mehr hatte ertragen können. Inzwischen war mir klar, dass Vater
sie wegen einer jüngeren Frau verlassen hatte, aber darüber durfte man auf gar
keinen Fall mit ihr reden. Auch jetzt noch nicht, sieben Jahre nach seinem
zweiten, tödlich verlaufenen Herzinfarkt. Sie hatte Vater verlassen, und Gott
und Großmutter wohnten im Himmel. Basta.
Mit meinem Glauben
stand es etwas komplizierter. Wenn ich zu Ostern einen dieser Jesusfilme mit
Jeffrey Hunter sah, der mit stahlblauen Augen die Bergpredigt in die Kamera
sprach, dann fühlte ich mich großartig, ein geliebtes Wesen Gottes. Wenn ich
ins Planetarium ging und die Imitation unseres Sonnensystems betrachtete, kamen
mir Zweifel. Dort schien die ganze Erde ein krabbelnder Ameisenhaufen zu sein,
der gemessen an den Dimensionen des Universums erschreckend unwichtig war.
Ich beruhigte mich
allerdings gern damit, dass der Mensch eigentlich zu komplex und zu perfekt
war, um ein zufälliges Produkt der Evolution zu sein. Der Sprung vom Tier zu
den Menschen war groß, eigentlich zu groß. Unsere hoch entwickelte Intelligenz,
die zahlreichen körperlichen Fähigkeiten, die Anpassungsleistung – das alles
machte schon den Eindruck, als seien wir göttlich angehaucht worden.
Das Klingeln des
Telefons schreckte mich aus meinen Betrachtungen.
Das war er
wahrscheinlich, der Ordensbruder. Es war nicht so leicht gewesen, den Mönch
telefonisch zu erreichen. Ich wusste, dass er in Münster tätig war, doch weilte
er zurzeit im Mutterhaus in Aachen. Dorthin verbunden, teilte man mir mit, dass
Bruder Martin in einem Gespräch sitze. Offensichtlich klappte die Kommunikation
zwischen den Ordensbrüdern sehr gut, denn es war keine halbe Stunde vergangen,
und schon rief er zurück.
Ich hatte mir
meine Worte gut zurechtgelegt. Während es etwa bei einem Rechtsanwalt nicht so
leicht ist, schnell einen Termin zu bekommen, hielt ich es für
unwahrscheinlich, dass ich in diesem Fall abgewiesen würde.
Ich bedankte mich
bei Bruder Martin zunächst für seinen schnellen Rückruf und appellierte an sein
Erinnerungsvermögen.
»Natürlich kann
ich mich an Sie erinnern, Herr Schubert. Sie haben meiner Schwester zur
Veröffentlichung ihres Buches verholfen und versucht, unsere Ordensschwester
Anne, die, und dies zu Ihrer Verteidigung, ohne Tracht und in Zivilkleidung zur
Lesung erschienen war, zu einem Date zu überreden.« Das tiefe Lachen am anderen
Ende der Leitung ging komplett auf meine Kosten.
»Und ich dachte
schon, die Absage hätte etwas mit meiner nachlassenden Ausstrahlung zu tun
gehabt.«
»Nicht bei dieser
Frau«, lautete der trockene Kommentar. »Die Nachricht, die mich erreicht hat,
klang dringend. Was kann ich für Sie tun?«
Der Smalltalk war
schneller zu Ende, als mir lieb war, Bruder Martin kam rasch zur Sache. Doch da
ich gerade diese direkte Art auf Anhieb an ihm gemocht hatte, antwortete ich
ihm prompt.
»Es ist ziemlich
sicher, dass ich in kurzer Zeit sterben werde, und mir wäre ein Gespräch mit
einem …« Hier geriet ich ins Stocken und setzte neu an. »Nun, ich wollte über
meinen Glauben sprechen.«
Eine Zeit lang
blieb es still, dann war ein lautes Ausatmen zu hören. »Puh, das ist schwerer
Tobak. Woher wissen Sie das? Sind Sie in einem Krankenhaus?«
»Nein! Hören Sie,
ich bin gesund und munter. Dass ich das weiß, hat andere Gründe.« Ich kam mir
außerordentlich lächerlich vor.
Anscheinend fand
das mein Gesprächspartner auch, denn er klang etwas empört, als er sagte:
»Jetzt hören Sie mir mal zu. Wenn Sie mir hier einen Selbstmord andeuten
wollen, werde ich Sie zu einem Psychiater bringen.«
»Das
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