Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
stützte den
Kopf in beide Hände und lächelte mich an. »Ich bin beinahe noch unabhängiger
als Sie, ich arbeite als freie Mitarbeiterin für verschiedene Museen.«
»Und auf welche
Weise sind Sie den Museen noch nützlich, außer dass Sie sich in Ländern
aufhalten, in denen die Männer Ihnen Autotüren aufhalten?«
»Ich reise dorthin
und kaufe den höflichen Männern Kunstobjekte ab, die dann in deutschen Museen
Beachtung finden. Aber viel häufiger bleibe ich hier und organisiere
Ausstellungen, stelle Kontakte zwischen den Museen her, um Wanderausstellungen
und Leihgaben zu organisieren, und nutze meine Kenntnisse, um Expertisen
anfertigen zu lassen oder Sammlungen zu vervollständigen. Vor einigen Jahren
habe ich zu einem großen Teil die Indianerausstellung im Naturkundemuseum
organisiert. Sie war so erfolgreich, dass viele Objekte noch immer in der
Dauerausstellung dort zu sehen sind.«
Ich war
beeindruckt. »Haben Sie ein Spezialgebiet?«
»Die englische
Kolonialgeschichte und so, alles, was damals wichtig war. In erster Linie also
die amerikanische Kolonialgeschichte, aber auch Indien als ehemaliges
britisches Kronjuwel gehört zu meinen Interessengebieten.«
»Dann haben Sie
ein weites Betätigungsfeld.«
»Und ich begegne
ständig interessanten, mächtigen Männern, die nur einen einzigen Makel haben:
Sie sind alle schon tot.«
Ich hätte gern
noch länger über ihre Arbeit geredet, aber Herr Schlüter winkte uns nun zu
sich. Ich war offenbar ein miserabler Menschenkenner, weil ich damit rechnete,
dass er uns nun gehen ließ. Sein Mund war ein zusammengepresster Strich,
ähnlich wie der einer Schildkröte, und seine Bewegungen wirkten eckig und
abweisend.
Cornelia ließ sich
davon in keiner Weise beeindrucken. Sie warf sich förmlich auf den Holzstuhl,
rieb die Hände ungeduldig aneinander und kam gleich zum Thema. »Und, hat man
noch eine alte Leiche gefunden?«
Ich setzte mich so
deutlich langsamer neben meine Begleiterin, dass Herr Schlüter mich fixierte. »Es
sind zwei Leichen am beschriebenen Tatort gefunden worden.«
»Mein Gott. Es ist
also tatsächlich wahr.« Nun schaute auch Cornelia zu mir, eher triumphierend
als beunruhigt. Ich aber war in höchstem Maße besorgt. Warum sagte der Beamte
nicht: Wir haben eine Leiche und ein Skelett gefunden? Mehr als Knochenreste
und Stofffetzen konnte doch von einer so alten Leiche nicht übriggeblieben
sein.
»Wir haben am
Tatort einen Spaten gefunden. Haben Sie eine Ahnung, wem der gehören könnte?«
»Oh, der gehört
uns«, hörte ich Cornelia sagen. »Michael wollte ihn gerade aufheben, als der
erste Schuss auf ihn abgefeuert wurde.«
Herr Schlüter
räusperte sich und ordnete Papiere, die nicht geordnet werden mussten. »Ich
denke, ich muss es Ihnen näher erklären. Wir haben zwei, ähm, sagen wir,
frische Leichen gefunden. Zum einen lag am Tatort der von ihnen beschriebene
Leichnam eines etwa dreißigjährigen Mannes. Hier war die Tatwaffe ein ziemlich
großes Messer. Unweit dieses Toten lag eine zweite Leiche, die nach ersten
Erkenntnissen mit einem Spaten erschlagen worden ist. Es handelt sich hierbei
um einen etwas älteren Mann, Mitte bis Ende fünfzig.«
Das klang
problematisch für uns.
»Hatte er eine
Waffe dabei?« Ich wollte wissen, ob es sich um unseren Scharfschützen handelte.
»Nein, doch das
allein ist nicht ausschlaggebend. Wir werden seine Hände auf Schmauchspuren
untersuchen lassen.« Er unterbrach sich und lächelte freudlos. »Entschuldigung,
das werden natürlich nicht wir veranlassen, der Fall ist ab jetzt Sache der
örtlichen Kriminalpolizei. Aber es wird schnell festzustellen sein, ob dieser
Mann kurz vor seinem Tod geschossen hat.« Er machte wieder eine Pause und
schaute uns beide der Reihe nach an. »Sind Sie sicher, dass Sie bei den
Schüssen sofort geflüchtet sind? Sie haben nicht vielleicht versucht, sich mit
dem Spaten zu wehren?«
Ein schepperndes
Geräusch ließ mich zusammenfahren, eine kleine weibliche Faust war auf den
Schreibtisch geknallt. »Für wie sinnvoll halten Sie die Idee, mit einem Spaten
auf einen bewaffneten Menschen loszugehen, noch dazu, wenn er ein Gewehr hat?
Was glauben Sie, warum die Neandertaler ausgestorben sind? Weil sie so kreativ
ihre Waffen einzusetzen verstanden, he?« Cornelia war aufgesprungen. Nachdem
ich sie mehrmals an der Jacke gezupft hatte, setzte sie sich wieder und fügte
schnaubend hinzu: »Rückzug war ja wohl unsere einzige Chance, Rückzug.«
Während mir
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