Todsünde (German Edition)
Obwohl ich ein bisschen Schlaf wirklich bitter nötig hatte.“
Anthony setzte sich an den Tisch und sah sie voller Mitgefühl an. „Ich habe gehört, was passiert ist. Mit Jess und deinem Freund. Tut mir sehr leid.“
Lindsay sah ihn nun ebenfalls an. „Danke.“
Anthony sah fast noch genauso aus wie früher. Er hatte sich nicht viel verändert, war nur ein wenig braungebrannter von der kalifornischen Sonne und er hatte einen Dreitagebart, was ihn erwachsener aussehen ließ.
„Wo sind mein Bruder und Karen?“
„Keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mehr an allzu viel erinnern. Ich glaube, die beiden haben rumgemacht, bin mir aber nicht sicher.“
„Also sind sie dann wohl in seinem Zimmer, hä?“
„Gut möglich. Gibt es Kaffee?“
„Nein. Aber wenn du willst, können wir rausgehen und uns irgendwo einen holen. Zwei Blocks weiter gibt es einen ziemlich guten Coffee Shop.“
„Na, das hört sich doch gut an.“
Eine gute Idee! Sie wollte eh die Kiste mit der Schokolade wegschmeißen gehen. Ein paar Minuten später waren sie auf dem Weg, die Treppen runter. Lindsay hatte eine Nachricht für Tommy auf dem Tisch hinterlassen.
Nachdem sie den vollen Karton neben den Mülltonnen abgestellt hatte – vielleicht würden sich ein paar Kinder oder ein mittelloser Nachbar darüber freuen – klopfte sie an die Fensterscheibe des Wagens. Die Officers hatten sich anscheinend schon wieder abgewechselt.
„Guten Morgen, Officer Weisman. Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass ich jetzt einen Kaffee trinken gehe. Soll ich Ihnen etwas mitbringen?“
„Ich werde Ihnen folgen, ich muss mir sowieso die Beine vertreten.“
„Na gut.“ Ein komischer Gedanke, dass ein Cop hinter ihr sein würde, wo immer sie hinging. Andererseits war sie sehr froh darüber, so konnte ihr nichts Schlimmes zustoßen.
„Miss Scott, Officer St. James hat Detective Danes diese kleine Party bei Ihnen gemeldet und sie war nicht sehr erfreut. Es sollten nicht so viele Leute bei Ihnen ein und aus gehen.
„Das sind doch nur Freunde“, versuchte Lindsay sich – oder besser Tommy – zu verteidigen.
„Schon klar. Aber Sie müssen sie anmelden, dem diensthabenden Officer vorstellen, damit wir wissen, um wen es sich handelt.“
„Hat Tommy das denn nicht getan? Er hat mir gesagt, er hätte ...“
„Das hat er, ja.“ Lindsay konnte sich schon vorstellen, wie. Tommy war doch total besoffen gewesen.
„Es tut mir leid, falls Tommy sich unpässlich verhalten hat“, sagte Lindsay.
„Das ist schon in Ordnung. Ihr Bruder interessiert mich nicht. Ich bin nur für Ihre Sicherheit verantwortlich.“
„Und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.“
Officer Weisman nickte. Als sie sich auf den Weg die Straße hinunter machten, stieg er aus seinem Wagen und folgte ihnen unauffällig.
Nachdem sie einen Kaffee getrunken hatten, gingen sie noch ein wenig spazieren und redeten über alte Zeiten – Officer Weisman immer ein paar Meter hinter ihnen.
„Weißt du noch, unser erster Kuss?“, fragte Anthony.
„Klar“, lachte Lindsay. „In der Geisterbahn auf dem Jahrmarkt. Ich hatte solche Angst, und du hast es schamlos ausgenutzt.“
„Ich wollte dich doch nur beschützen“, sagte er. Lindsay sah in an. Konnte es sein, dass er etwas mit den Morden zu tun hatte? Nein, das war doch verrückt, total abwegig. Es war reiner Zufall, dass er gerade jetzt wieder aufgetaucht war.
„Anthony, warum bist du wieder hier?“
„Habe ich dir doch schon gesagt. Ich habe New York vermisst. Und dich auch, ein kleines bisschen“, grinste er.
Lindsay lächelte ihn an. „Du solltest deine Haare wieder wachsen lassen. Ich mochte es, wie sie dir ins Gesicht fielen.“
„Okay, für dich tue ich doch alles.“ Er lächelte zurück.
Es gefiel Lindsay nicht, dass sie alles und jeden nur noch hinterfragte. Jedes Wort nahm sie auf die Goldwaage und vermutete einen Zusammenhang mit den Morden.
„Ich muss jetzt gehen, Anthony, ich will noch meine Mom besuchen.“
„Dann grüße sie bitte von mir. Wie geht es ihr?“
„Sie hatte vor ein paar Jahren einen Schlaganfall und sitzt im Rollstuhl. Sie kann nicht mehr sprechen. Sie ist sehr stark. Auch wenn es für uns nicht immer leicht ist, sie so zu sehen.“
„Du warst schon immer eine gute Tochter“, lobte er.
„Ich tue mein Bestes.“ Sie lächelte traurig. „Es war schön, dich zu sehen.“
„Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“
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