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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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dem die Flammen nichts hatten anhaben können. Bisher hatte sie sich dieses Dach nie richtig angesehen. Jetzt betrachtete sie eingehend die dunklen Kleckse, die wie totes Laub aussahen und über das gewellte Metall verstreut waren. Doch sie waren zu klein, und sie konnte keine Einzelheiten erkennen.
    Sie ging mit dem Foto in ihr Arbeitszimmer und schaltete das Licht ein. Dann kramte sie in ihren Schubladen, bis sie eine Lupe gefunden hatte. Im hellen Schein der Schreibtischlampe studierte sie das Bild, konzentrierte sich ganz auf das Wellblechdach und das Laub. Und unter der Lupe nahmen die dunklen Punkte mit einem Mal eine erschreckende neue Gestalt an. Ein eiskalter Schauder durchfuhr sie. Sie ließ die Lupe fallen und saß da wie vom Donner gerührt.
    Vögel. Es waren tote Vögel.
    Sie ging in die Küche, griff nach dem Telefon und wählte die Nummer von Rizzolis Pager. Als ihr Apparat wenige Minuten später läutete, fuhr sie erschrocken zusammen.
    »Ich muss Ihnen etwas sagen«, begann sie unvermittelt.
    »Morgens um halb sieben?«
    »Ich hätte es Agent Dean gestern schon sagen sollen, bevor er nach Washington zurückgeflogen ist. Aber ich wollte nichts sagen, bevor ich nicht mit Victor gesprochen hatte.«
    »Mit Victor? Ihrem Exmann?«
    »Ja.«
    »Was hat der denn damit zu tun?«
    »Ich glaube, er weiß, was dort in Indien passiert ist. In diesem Dorf.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«
    »Noch nicht. Und deshalb müssen Sie ihn verhören.«

19
    Sie saßen zu dritt in Barry Frosts Wagen, der direkt vor dem Hotel Colonnade geparkt war; Frost und Rizzoli vorne, Maura auf dem Rücksitz.
    »Lassen Sie mich zuerst mit ihm reden«, sagte Maura.
    »Es wäre besser, wenn Sie hier im Auto warten würden, Doc«, meinte Frost. »Wir wissen nicht, wie er reagieren wird.«
    »Er wird wahrscheinlich weniger Widerstand leisten, wenn ich mit ihm spreche.«
    »Aber wenn er bewaffnet ist ...«
    »Er wird mir nichts antun«, sagte Maura. »Und ich will auch nicht, dass Sie ihm wehtun, ist das klar? Sie nehmen ihn ja nicht fest.«
    »Und wenn er sich weigert, mitzukommen?«
    »Er wird mitkommen.« Sie drückte die Wagentür auf. »Überlassen Sie das nur mir.«
    Mit dem Lift fuhren sie in den vierten Stock, zusammen mit einem jungen Paar, das sich wohl über die drei finster dreinblickenden Gestalten wunderte, die ihnen schweigend gegenüberstanden. Flankiert von Rizzoli und Frost klopfte Maura an die Tür von Zimmer 426.
    Einige Sekunden verstrichen.
    Sie wollte eben ein zweites Mal klopfen, als die Tür endlich aufging und Victor vor ihr stand. Er sah sie aus müden Augen an, und sein Blick war unendlich traurig.
    »Ich habe mich schon gefragt, wie du dich entscheiden würdest«, sagte er. »Ich hatte fast gehofft ...« Er schüttelte den Kopf.
    »Victor ...«
    »Aber eigentlich sollte ich mich ja nicht wundern.« Sein Blick ging zu Rizzoli und Frost, die hinter ihr auf dem Flur standen, und er lachte verbittert. »Haben Sie auch die Handschellen dabei?«
    »Sie brauchen keine Handschellen«, sagte Maura. »Sie wollen nur mit dir reden.«
    »Ja, natürlich. Nur reden. Sollte ich einen Anwalt anrufen?«
    »Das ist deine Entscheidung.«
    »Nein, sag du es mir. Werde ich einen Anwalt brauchen?«
    »Du bist der Einzige, der das wissen kann, Victor.«
    »Aha, das ist wohl die Nagelprobe, wie? Nur wer schuldig ist, verlangt einen Anwalt.«
    »Es kann nie schaden, einen Anwalt zu haben.«
    »Nun, dann werde ich keinen anrufen, wenn auch nur, um dir etwas zu beweisen.« Er sah wieder die beiden Detectives an. »Ich muss nur noch Schuhe anziehen. Falls Sie nichts dagegen haben.« Er drehte sich um und ging zum Schrank.
    Maura wandte sich an Rizzoli: »Könnten Sie hier draußen warten?« Sie folgte Victor ins Zimmer und ließ die Tür hinter sich zufallen, um einen letzten ungestörten Moment mit ihm zu haben. Er saß auf einem Stuhl und band sich die Schnürsenkel zu. Sie sah, dass sein Koffer auf dem Bett lag.
    »Du packst deine Sachen?«
    »Ich wollte mit der Vier-Uhr-Maschine nach Hause fliegen. Aber das kann ich ja jetzt wohl vergessen, oder?«
    »Ich musste es ihnen sagen. Es tut mir Leid.«
    »Ja, sicher.«
    »Ich hatte keine Wahl.«
    Er stand auf. »Du hattest die Wahl, und du hast dich entschieden. Ich denke, das sagt wohl alles.« Er ging an ihr vorbei und öffnete die Tür. »Ich bin so weit«, sagte er und drückte Rizzoli einen Schlüsselbund in die Hand. »Ich nehme an, dass Sie meinen Mietwagen durchsuchen wollen. Es ist

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