Todsünde
Mann persönlich kannte.
Es klingelte an der Tür.
Sie zuckte zusammen. Eine Glaskugel fiel vom Baum und zerschellte auf dem Holzfußboden.
Draußen näherte der Schatten sich dem Fenster.
Sie rührte sich nicht vom Fleck und überlegte hin und her, was sie tun sollte. Ich schalte einfach kein Licht ein, dachte sie. Dann wird er es aufgeben und mich in Ruhe lassen.
Es klingelte erneut.
Geh weg, dachte sie. Geh weg und ruf mich morgen früh an.
Sie seufzte erleichtert auf, als sie hörte, wie er die Stufen hinunterging. Vorsichtig schob sie sich ans Fenster und spähte hinaus, doch sie konnte ihn nicht sehen. Auch keinen Wagen, der vor dem Haus parkte. Wohin war er gegangen?
Jetzt hörte sie wieder Schritte, das Knirschen von Schuhen im Schnee. Die Schritte bewegten sich auf die Seite des Hauses zu. Was fiel ihm ein, mitten in der Nacht auf ihrem Grundstück herumzuschleichen?
Er sucht nach einer Möglichkeit, ins Haus einzudringen.
Sie schlüpfte hastig aus dem Winkel hinter dem Baum hervor und musste mit aller Gewalt einen Schmerzensschrei unterdrücken, als sie auf die zerbrochene Glaskugel trat und ein Splitter sich in ihre nackte Fußsohle bohrte.
Plötzlich tauchte seine Silhouette in einem Seitenfenster auf. Er spähte herein, versuchte in dem dunklen Wohnzimmer etwas zu erkennen.
Sie flüchtete auf den Flur. Bei jedem Schritt zuckte sie zusammen; schon war ihre Fußsohle feucht von Blut.
Es wird allmählich Zeit, dass ich die Polizei rufe.
Sie machte kehrt und humpelte in die Küche. Mit den Händen tastete sie sich an der Wand entlang, suchte blind nach dem Telefon. In der Hektik stieß sie den Hörer von der Gabel. Rasch schnappte sie ihn auf und hielt sich die Muschel ans Ohr.
Kein Freizeichen.
Der Anschluss im Schlafzimmer, dachte sie sofort. Liegt der Hörer nicht richtig auf?
Sie hängte den Hörer des Küchentelefons ein und humpelte zurück auf den Flur. Der Glassplitter bohrte sich noch tiefer in ihre Sohle, und dort, wo sie entlanggegangen war, war der Boden bereits rot von ihrem Blut. Im Schlafzimmer angelangt, setzte sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen, während sie verzweifelt versuchte, im Dunkeln etwas zu erkennen. Schließlich stieß sie mit dem Schienbein gegen das Bett. Sie tastete sich über die Matratze zum Kopfteil und weiter zum Nachttisch vor, wo das Telefon stand.
Kein Freizeichen. Die Panik durchfuhr sie wie ein eisiger Windstoß. Er hat die Telefonleitung gekappt.
Sie ließ den Hörer fallen und stand reglos im Zimmer, lauschte angestrengt auf seinen nächsten Schritt. Das Haus knarrte im Wind, und bis auf das Pochen ihres eigenen Herzens konnte sie nichts hören.
Wo ist er? Wo ist er?
Dann dachte sie: Mein Handy.
Sie stürzte sich auf die Kommode, wo sie ihre Handtasche abgestellt hatte. Riss sie auf, kramte hektisch in dem Durcheinander nach ihrem Handy. Sie fischte ihre Geldbörse heraus, ihre Schlüssel, Kugelschreiber, eine Bürste. Das Handy, wo war nur das verfluchte Handy?
Im Auto. Ich habe es auf dem Vordersitz liegen lassen.
Das Geräusch von splitterndem Glas ließ sie auffahren.
War es von vorne oder von hinten gekommen? Wo versuchte er einzudringen?
Sie stürzte hinaus auf den Flur, ignorierte die Schmerzen in ihrem Fuß. Die Tür zur Garage ging direkt vom Hausflur ab. Sie
drückte die Klinke, schlüpfte hindurch und hörte im gleichen Moment, wie wieder eine Scheibe zerbrach und die Splitter zu Boden regneten.
Sie zog die Tür hinter sich zu. Ihr Atem ging in kurzen, krampfhaften Stößen, ihr Puls jagte. Rückwärts näherte sie sich dem Auto. Nur keinen Lärm machen. Langsam schloss sie die Finger um den Türgriff und zuckte unwillkürlich zusammen, als die Verriegelung mit einem lauten Klacken aufsprang. Hastig riss sie die Tür auf und glitt auf den Fahrersitz – und musste ein frustriertes Stöhnen unterdrücken, als ihr einfiel, dass der Autoschlüssel noch im Schlafzimmer war. Sie konnte nicht einfach den Motor anlassen und davonfahren. Ihr Blick ging zum Beifahrersitz. Dort, im Schein der Innenbeleuchtung, entdeckte sie ihr Handy. Es steckte in der Polsterritze.
Sie nahm es, klappte es auf und sah, dass die Leuchtanzeige der Batterie auf Voll stand.
Gott sei Dank, dachte sie und tippte die Notrufnummer ein.
»Hier Notrufzentrale.«
»Hier ist Buckminster Road 2130«, flüsterte sie. »Jemand bricht gerade in mein Haus ein.«
»Können Sie die Adresse wiederholen? Ich kann Sie nicht verstehen.«
»Buckminster Road 2130!
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