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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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haben die Krankenschwestern mir jedenfalls gesagt.«
    Ihr Blick fiel auf die Platte mit den gefüllten Cannoli, die von der Sahnefüllung langsam, aber sicher aufgeweicht wurden. »Worauf wollen Sie hinaus, Hochwürden?«
    »Ich weiß, es erscheint auf den ersten Blick wie ein nebensächliches Detail, einen Neffen ausfindig zu machen, der seine Tante seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Und ich weiß auch, wie schwer es ist, jemanden zu finden, der in einen anderen Staat umgezogen ist, zumal wenn man den Vornamen nicht kennt. Aber die Kirche hat ihre eigenen Informationsquellen, die nicht einmal der Polizei zur Verfügung stehen. Ein guter Pfarrer kennt seine Gemeinde, Detective. Er kennt die Familien, die Namen der Kinder. Ich habe also den Pfarrer der Gemeinde in Denver angerufen, der Schwester Ursulas Bruder angehörte. Er kann sich noch gut an den Bruder erinnern. Er hat selbst den Trauergottesdienst gehalten.«
    »Haben Sie ihn nach ihren Verwandten gefragt? Nach diesem Neffen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Es gibt keinen Neffen, Detective. Er hat nie existiert.«

22
    Maura träumte von Scheiterhaufen.
    Sie kauerte im Schatten und sah zu, wie die Flammen um die wie Klafterholz gestapelten Körper züngelten, wie ihr Fleisch von der Hitze des Feuers verzehrt wurde. Um die brennenden Leichen herum waren Silhouetten von Männern zu erkennen, ein Kreis aus stummen Beobachtern, deren Gesichter sie nicht sehen konnte. Und sie konnte auch nicht von ihnen gesehen werden, denn sie verharrte geduckt im Schutz der Dunkelheit.
    Funken flogen aus der von Menschenfleisch genährten Feuersbrunst und wirbelten durch den schwarzen Nachthimmel. Sie erhellten die Szenerie, und was Maura in dem flackernden Schein sehen konnte, steigerte ihr Entsetzen ins Unermessliche: Die Leichen bewegten sich noch. Ihre verkohlten Gliedmaßen zuckten und wanden sich in der Flammenhölle.
    Einer der Umstehenden drehte sich langsam um und starrte Maura an. Sie erkannte das Gesicht, dessen seelenlose Augen auf sie gerichtet waren.
    Victor.
    Im nächsten Augenblick war sie hellwach. Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen, ihr Nachthemd war mit Schweiß getränkt. Ein Windstoß erfasste das Haus, und das Rattern der Fenster, das gespenstische Ächzen der Mauern drang an ihre Ohren. Vollkommen reglos lag sie da, immer noch wie gelähmt von den Schrecken ihres Albtraums, und spürte, wie der Schweiß auf ihrer Haut kühl wurde. War es bloß der Wind gewesen, der sie geweckt hatte? Sie lauschte, und jedes Knarren und Knacken des Hauses hörte sich plötzlich an wie ein Schritt. Ein Eindringling, der langsam näher kam.
    Plötzlich spannte sie alle Muskeln an – ein anderes Geräusch
    hatte sie aufgeschreckt. Ein Kratzen an der Haustür, wie von den Krallen eines Tieres, das einzudringen versuchte.
    Sie warf einen Blick auf die Leuchtanzeige des Weckers. Es war Viertel vor zwölf.
    Maura wälzte sich aus dem Bett. Das Zimmer schien eiskalt. Im Dunkeln tastete sie nach dem Bademantel; das Licht wollte sie nicht einschalten, um sich ihr Nachtsichtvermögen zu bewahren. Als sie ans Fenster trat, sah sie, dass es aufgehört hatte zu schneien. Der schneebedeckte Rasen schimmerte weiß im Mondlicht.
    Da war es wieder – ein Geräusch wie von etwas, das an der Wand entlangstreifte. Sie presste das Gesicht so dicht wie möglich an die Scheibe und sah für einen Sekundenbruchteil einen Schatten, der an der vorderen Hausecke vorüberhuschte. Ein Tier?
    Barfuß ging sie hinaus auf den Flur und tastete sich im Dunkeln in Richtung Wohnzimmer voran. Dort zwängte sie sich am Weihnachtsbaum vorbei und spähte aus dem Fenster.
    Fast wäre ihr das Herz stehen geblieben.
    Ein Mann stieg die Stufen zu ihrer Haustür herauf.
    Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, es lag im Schatten. Als hätte er gespürt, dass sie ihn beobachtete, drehte er sich nun zu dem Fenster um, an dem sie stand, und sie konnte seine Silhouette deutlich sehen. Die breiten Schultern, den Pferdeschwanz.
    Maura wich vom Fenster zurück. Die Nadeln des Weihnachtsbaums pieksten sie in den Rücken. Sie versuchte zu begreifen, wieso Matthew Sutcliffe hier vor ihrer Haustür stand. Wie kam er dazu, um diese nachtschlafende Zeit unangemeldet hier aufzutauchen? Sie hatte sich noch immer nicht ganz aus dem Netz der Angst befreit, mit dem ihr Albtraum sie umfangen hatte, und dieser spätabendliche Besuch beunruhigte sie. Sie hatte große Bedenken, irgendjemandem um diese Zeit die Tür zu öffnen – auch wenn sie den

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