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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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noch so fest gewickeltes elastisches Band hatte diesem jungen, gesunden Fleisch nichts anhaben können. Die letzte Bahn fiel und enthüllte volle, feste Brüste, deren Haut vom Abdruck des Stoffs getüpfelt war. Andere Frauen wären auf solche Brüste stolz gewesen – Camille Maginnes hatte sie versteckt, als ob sie sich ihrer schämte.
    Ein Kleidungsstück war noch übrig. Der Baumwollslip.
    Maura griff in das Gummiband und zog die Unterhose über die Hüfte der Toten und weiter über die Oberschenkel. Die Binde, die im Slip klebte, war nur leicht mit Blut befleckt.
    »Eine frische Binde«, stellte Rizzoli fest. »Sieht aus, als hätte sie sie erst vor kurzem gewechselt.«
    Aber Maura schien die Binde gar nicht zu beachten, ihr Blick war wie gebannt auf den Bauch der Toten gerichtet, die schlaffen Muskeln zwischen den hervorspringenden Beckenknochen. Die blasse Haut war mit silbrigen Streifen überzogen. Einen Moment lang sagte sie gar nichts, registrierte nur schweigend die Bedeutung dieser Streifen. Und dachte wieder an die eng umwickelten Brüste.
    Maura drehte sich zu dem Tablett um, auf dem sie die abgerollte Bandage deponiert hatte, und wickelte den Stoff langsam auf, um ihn zu inspizieren.
    »Wonach suchen Sie?«, fragte Rizzoli.
    »Nach Flecken«, antwortete Maura.
    »Das Blut ist doch deutlich zu sehen.«
    »Nein, ich meine nicht die Blutflecken ...« Maura hielt inne und blickte auf die ausgebreitete Bandage herab, auf die dunklen Ringe, die eine getrocknete Flüssigkeit hinterlassen hatte. Mein Gott, dachte sie. Wie ist das möglich?
    Sie sah Yoshima an. »Bringen wir sie in Position für eine Beckenuntersuchung.«
    Yoshima runzelte die Stirn. »Sollen wir die Leichenstarre brechen?«
    »Ihre Muskulatur ist nicht sehr stark entwickelt.« Camille war eine zierliche Frau; das würde ihnen die Aufgabe erleichtern.
    Yoshima ging zum Fußende des Tisches. Während Maura das Becken festhielt, packte er den linken Oberschenkel mit beiden Händen und versuchte mit aller Kraft, das Hüftgelenk zu beugen. Das Brechen der Totenstarre war eine Prozedur, die genauso brutal war, wie sie sich anhörte – das gewaltsame Zerreißen erstarrter Muskelfasern. Angenehm war so etwas niemals, doch Frost war sichtlich entsetzt – kreidebleich wich er vom Seziertisch zurück. Yoshima legte sich noch einmal mit aller Kraft ins Zeug, und dann spürte Maura eine Vibration, die sich über das Becken der Toten auf ihre Finger übertrug: Das Muskelgewebe war gerissen.
    »O Mann«, sagte Frost und wandte sich angewidert ab.
    Aber es war Rizzoli, die nun mit unsicheren Schritten auf den Stuhl neben dem Waschbecken zuging, sich setzte und den Kopf in die Hände sinken ließ. Rizzoli, die Unerschütterliche, die sich niemals über die grausigen Anblicke und Gerüche des Autopsiesaals beklagte, schien plötzlich nicht einmal mehr die bloßen Vorbereitungen ertragen zu können.
    Maura ging um den Tisch herum und hielt erneut das Becken fest, während Yoshima den rechten Oberschenkel in Angriff nahm. Sie hatte in ihrer medizinischen Ausbildung so manches durchmachen müssen, doch nichts war ihr in so unangenehmer Erinnerung wie ihr Praktikum in der Orthopädie. Das Bohren und Sägen an Knochen, die brutale Gewalt, die notwendig war, um ein Hüftgelenk zu exartikulieren. Mit dem gleichen Abscheu registrierte sie jetzt das Reißen des Muskels. Das rechte Hüftgelenk gab plötzlich nach, und selbst in Yoshimas stoischer Miene blitzte so etwas wie Widerwille auf. Aber es war die einzige Möglichkeit, freie Sicht auf den Genitalbereich zu erhalten, und es drängte sie, ihren Verdacht so schnell wie möglich zu bestätigen.
    Sie drehten beide Oberschenkel nach außen, und Yoshima richtete eine Lampe auf das Peritoneum, den Damm. In der Scheide hatte sich Blut angesammelt – normales Menstruationsblut, hätte Maura noch vor wenigen Minuten gesagt. Jetzt starrte sie es an, sichtlich betroffen von dem, was sie da sah. Sie griff nach einem Tupfer und wischte vorsichtig das Blut ab, um die Schleimhaut darunter freizulegen.
    »Da ist ein Riss zweiten Grades in der Sechs-Uhr-Position«, sagte sie.
    »Möchten Sie Abstriche machen?«
    »Ja. Und wir werden en bloc resezieren müssen.«
    »Kann mich mal jemand aufklären, was hier vorgeht?«, fragte Frost.
    Maura sah ihn an. »Ich tue das nicht sehr oft, aber in diesem Fall werde ich die Beckenorgane auf einmal entfernen. Das Schambein durchtrennen und alles zusammen herausheben.«
    »Glauben Sie, dass

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