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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sondern echtes Blond, das Resultat vieler Stunden an der frischen Luft. Von Victor Banks ging eine ganz eigene Anziehungskraft aus, und sie war nicht minder anfällig dafür als andere Frauen. Schon spürte sie, wie es sie mit aller Macht zu ihm hinzog – ganz wie früher.
    »Hast du dich nicht auch irgendwann mal gefragt, ob das Ganze nicht ein Fehler war?«, fragte er.
    »Was – die Scheidung? Oder die Ehe?«
    »Es ist doch wohl klar, wovon ich rede. Schließlich stehe ich hier vor dir.«
    »Du hast dir lange Zeit gelassen, um mir das zu sagen.« Sie drehte sich wieder zum Wagen um. »Du hast nicht wieder geheiratet.« Sie hielt inne. Wandte sich erneut zu ihm um. »Und du?«
    »Nein.«
    »Tja, vermutlich sind wir beide gleich schwer zu ertragen.«
    »Du bist nicht lang genug bei mir geblieben, um das herauszufinden.«
    Sie lachte. Ein bitterer, harscher Laut in der weißen Stille. »Du warst doch derjenige, der ständig zum Flughafen rasen musste. Immer auf Achse, um die Welt zu retten.«
    »Ich bin nicht derjenige, der vor der Ehe davongelaufen ist.«
    »Und ich bin nicht diejenige, die eine Affäre hatte.« Sie fuhr herum und riss die Wagentür auf.
    »Verdammt, kannst du vielleicht noch einen Moment warten? Hör mich an!«
    Seine Finger schlossen sich um ihren Arm. Der Zorn, den sie in diesem Griff spürte, verblüffte sie. Sie starrte ihn an, und ihr kalter Blick sagte ihm, dass er zu weit gegangen war.
    Er ließ ihren Arm los. »Es tut mir Leid. Mein Gott, so hatte ich mir das ganz und gar nicht vorgestellt.«
    »Was hattest du denn erwartet?«
    »Dass da zwischen uns noch irgendetwas wäre.«
    Und da ist noch etwas, dachte sie. Zu viel sogar – und deshalb musste sie diesem Gespräch ein Ende setzen. Sie hatte Angst, wieder hineingezogen zu werden. Schon jetzt spürte sie, wie ihr Widerstand nachließ.
    »Hör zu«, sagte er. »Ich bin nur für ein paar Tage in der Stadt. Morgen habe ich einen Termin an der Harvard School of Public Health, aber danach habe ich noch nichts vor. Es ist bald Weihnachten, Maura. Ich dachte, wir könnten die Feiertage zusammen verbringen. Falls du nichts anderes geplant hast.«
    »Und hinterher setzt du dich einfach wieder ins Flugzeug und schwebst davon.«
    »Wenigstens könnten wir uns mal wieder in aller Ruhe unterhalten. Kannst du nicht ein paar Tage Urlaub nehmen?«
    »Ich habe einen Job, Victor. Da kann ich mir nicht einfach so freinehmen.«
    Er warf einen Blick auf das Gebäude, aus dem sie gekommen war, und lachte ungläubig auf. »Ich weiß sowieso nicht, was du an einem Job wie diesem eigentlich findest.«
    »Die düsteren Töne – hast du das schon wieder vergessen? Das bin ich.«
    Er sah sie an und sagte mit sanfterer Stimme: »Du hast dich nicht verändert. Kein bisschen.«
    »Du auch nicht – und genau das ist das Problem.« Sie stieg in ihren Wagen und schlug die Tür zu.
    Er klopfte ans Fenster. Sie sah, wie er zu ihr hereinspähte, sah die Schneeflocken auf seinen Wimpern glitzern, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als das Fenster herunterzudrehen und die Unterhaltung fortzusetzen.
    »Wann können wir weiterreden?«, fragte er. »Ich muss jetzt fahren.«
    »Gut, dann eben später. Heute Abend.«
    »Ich weiß nicht, wann ich zu Hause sein werde.«
    »Ach, komm schon, Maura.« Er beugte sich ganz nahe zu ihr herab. Und sagte leise: »Gib dir einen Ruck. Ich wohne im Colonnade. Ruf mich an.«
    Sie seufzte. »Ich werde drüber nachdenken.« Er streckte die Hand durchs Fenster und drückte ihren Arm.
    Wieder rief sein Duft warme Erinnerungen in ihr wach, Erinnerungen an Nächte, die sie eng umschlungen unter einer Decke verbracht hatten. An lange, leidenschaftliche Küsse, die nach Wodka-Lemon schmeckten. Zwei Jahre Ehe hinterlassen unauslöschliche Erinnerungen, gute wie schlechte; und in diesem Augenblick, da seine Hand ihren Arm berührte, waren es die guten, die überwogen.
    »Ich warte auf deinen Anruf«, sagte er. Offenbar glaubte er, schon gewonnen zu haben.
    Denkt er, dass es so einfach ist? Die Frage drängte sich ihr auf, als sie in Richtung Jamaica Plain davonfuhr. Ein Lächeln, eine Berührung, und alles ist vergeben und vergessen!
    Plötzlich brachen die Räder auf der eisbedeckten Fahrbahn aus, und sie packte das Lenkrad mit beiden Händen, von einer Sekunde auf die andere nur noch darauf konzentriert, die Kontrolle über den Wagen wiederzuerlangen. So aufgewühlt war sie gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie schnell sie gefahren war.

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