Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
Die Limousine schlingerte, die Reifen drehten durch, fanden keinen Halt auf der glatten Fahrbahn. Erst als sie es endlich geschafft hatte, ihn wieder in die Spur zu bringen, konnte sie durchatmen. Und ihrer Wut freien Lauf lassen.
    Zuerst brichst du mir das Herz. Und dann bringst du mich beinahe um.
    Ein irrationaler Gedanke, aber sie hatte ihn nun einmal gedacht. Victor hatte ein Talent, einen auf irrationale Gedanken zu bringen.
    Als sie schließlich gegenüber von Graystones Abbey am Straßenrand parkte, war sie von der Fahrt wie gerädert. Sie blieb noch eine Weile im Wagen sitzen und versuchte ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Selbstbeherrschung, das war ihr Schlüsselwort. Sobald sie aus dem Wagen stieg, stand sie im Licht der Öffentlichkeit, den Blicken von Polizisten und Presseleuten ausgesetzt. Sie erwarteten von ihr, dass sie einen ruhigen und besonnenen Eindruck machte, und so würde sie ihnen den Gefallen tun. Ein Großteil ihrer Arbeit, so schien es ihr bisweilen, bestand in der Kunst, dem Rollenbild zu entsprechen.
    Sie stieg aus, und dieses Mal lief sie sicher über die Straße. Mit diesen Sohlen würde sie nicht ausrutschen. Die Straße war von Polizeiwagen gesäumt, und zwei Fernsehteams saßen in ihren Übertragungswagen und warteten auf neue Entwicklungen. Das winterliche Tageslicht begann bereits zu schwinden.
    An der Pforte läutete sie. Die schwarze Tracht einer Nonne löste sich aus den Schatten. Die Schwester erkannte Maura wieder und ließ sie ein, ohne dass ein Wort gesprochen wurde.
    Der Schnee im Innenhof war bereits von Dutzenden von Schuhen zertrampelt. Es war nicht mehr derselbe Ort, den Maura am gestrigen Morgen betreten hatte. Die gewohnte Ruhe war dahin, zerstört durch die Suchaktion, die bereits in vollem Gange war. Die Fenster waren hell erleuchtet, und aus den Torbögen tönten ihr Männerstimmen entgegen. Als sie die Eingangshalle betrat, stieg ihr der Geruch von Tomatensauce und Käse in die Nase. Das Aroma rief unangenehme Erinnerungen an die fade, zähe Lasagne wach, die in der Cafeteria des Krankenhauses, in dem sie gelernt hatte, immer wieder auf dem Speisezettel gestanden hatte.
    Maura warf einen Blick in den Speisesaal und sah die Nonnen um den langen Tisch sitzen. Schweigend verzehrten sie ihre Abendmahlzeit. Zitternde Hände führten Gabeln an zahnlose Münder, und sie sah Milch über runzlige Kinne rinnen. Diese Frauen hatten den größten Teil ihres Lebens in vollkommener Abgeschiedenheit zugebracht, waren hinter diesen Mauern alt geworden. Trauerte die eine oder andere von ihnen vielleicht insgeheim dem nach, was sie versäumt hatte – dem Leben, das sie hätte führen können, wenn sie einfach zum Tor hinausgegangen und nie mehr zurückgekommen wäre?
    Sie ging weiter den Flur entlang, und wieder hörte sie männliche Stimmen, fremd und verstörend in diesem Haus der Frauen. Zwei Polizisten winkten ihr zu, als sie sie wiedererkannten.
    »Hallo, Doc.«
    »Haben Sie etwas gefunden?«, fragte sie. »Noch nicht. Wir machen Schluss für heute.«
    »Wo ist Rizzoli?«
    »Oben bei den Schlafräumen.«
    Auf der Treppe kamen ihr zwei weitere Polizisten aus dem Durchsuchungsteam entgegen, die auf dem Weg nach unten waren – zwei Kadetten, die aussahen, als hätten sie gestern noch die Schulbank gedrückt. Das Gesicht des jungen Mannes war noch von Jugendakne entstellt, und die Frau trug jene unbeteiligte Maske zur Schau, die sich so viele Polizistinnen als Selbstschutz zuzulegen schienen. Die beiden schlugen respektvoll die Augen nieder, als sie Maura erkannten. Sie kam sich richtig alt vor, als sie sah, wie diese jungen Leute höflich zur Seite traten, um ihr Platz zu machen. Wirkte sie so einschüchternd, dass sie in ihr schon gar nicht mehr die ganz normale Frau mit ihren ganz normalen Unsicherheiten sehen konnten? Sie hatte die Rolle der Unbesiegbaren mit der Zeit perfektioniert, und sie spielte sie auch jetzt. Sie neigte den Kopf zu einem flüchtigen Gruß und streifte die beiden jungen Beamten nur kurz mit ihrem Blick. Als sie weiterging, spürte sie deutlich, dass die zwei sie beobachteten.
    Sie fand Rizzoli in Schwester Camilles Zimmer, wo sie zusammengesunken auf dem Bett saß. Sie wirkte erschöpft.
    »Außer Ihnen sind wohl schon alle nach Hause gegangen«, sagte Maura.
    Rizzoli drehte sich zu ihr um. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und Maura entdeckte Falten um ihren Mund, die sie zuvor nie bemerkt hatte.
    »Wir haben nichts finden können. Dabei

Weitere Kostenlose Bücher