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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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hängen blieb. Die Hände waren perfekt geformt, winzige Finger, wie geschaffen, um sich nach dem Gesicht der Mutter zu strecken, eine Strähne ihres Haars zu greifen. Neben dem Gesicht sind es vor allem die Hände, die einem Wesen menschliche Gestalt verleihen, und daher war dieser Anblick ganz besonders schmerzlich.
    Maura griff in den Kissenbezug, um den Kopf des Kindes zu stützen und mit der anderen Hand den Stoff wegzuziehen.
    Sofort war ihr klar, dass etwas nicht stimmte.
    Ihre Hand umschloss einen Schädel, der sich nicht normal anfühlte – nicht menschlich. Sie hielt inne. Ihre Kehle war plötzlich ganz trocken. Nichts Gutes ahnend, streifte sie den Kissenbezug vollends über den Kopf des Babys.
    Rizzoli rang hörbar nach Luft und prallte entsetzt vom Tisch zurück.
    »Mein Gott«, stieß Frost hervor. »Was ist denn mit dem passiert?«
    Zu geschockt, um etwas zu erwidern, starrte Maura nur mit weit aufgerissenen Augen den offenen Schädel an, das freiliegende Gehirn, das zusammengedrückte Gesicht, das einer zerknautschten Gummimaske glich.
    Plötzlich glitt ein Metalltablett vom Tisch und landete scheppernd auf den Fliesen.
    Maura hob gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie Jane Rizzoli mit kreidebleichem Gesicht langsam zu Boden sank.

10
    »Ich will aber nicht in die Notaufnahme.«
    Maura wischte die letzten Blutreste weg und musterte kritisch die knapp drei Zentimeter lange Platzwunde an Rizzolis Stirn. »Ich bin keine Schönheitschirurgin. Ich kann die Wunde nähen, aber ich kann nicht garantieren, dass keine Narbe zurückbleibt.«
    »Tun Sie’s einfach, okay? Ich habe keine Lust, stundenlang in einem Krankenhausflur rumzuhocken. Wahrscheinlich würden sie doch nur irgendeinen Medizinstudenten auf mich loslassen.«
    Maura rieb die Haut mit Betadine ein und griff nach einer Ampulle Xylocain und einer Spritze. »Ich werde Ihnen eine lokale Betäubung verabreichen. Es wird zuerst ein bisschen brennen, aber dann sollten Sie nichts mehr spüren.«
    Rizzoli lag vollkommen reglos auf der Couch und starrte an die Decke. Sie zuckte nicht zusammen, als die Nadel sich in ihre Haut bohrte, doch sie ballte die Hände zu Fäusten und verharrte so, während Maura das Lokalanästhetikum injizierte. Kein Wort des Protests, kein Klagelaut kam über ihre Lippen. Dass sie im Autopsiesaal zusammengeklappt war, wäre schon Demütigung genug gewesen, doch dann war ihr auch noch so schwindlig gewesen, dass sie nicht gehen konnte, weshalb Frost sie wie eine Braut über die Schwelle von Mauras Büro getragen hatte. Jetzt lag sie da und biss die Zähne zusammen, fest entschlossen, keine weitere Schwäche zu zeigen.
    Während Maura die gebogene Nadel durch die Wundränder zog, fragte Rizzoli mit vollkommen ruhiger Stimme:
    »Sagen Sie mir jetzt vielleicht, was mit dem Baby passiert ist?«
    »Es ist nichts mit ihm passiert.«
    »Aber das ist doch nicht normal. Mein Gott, der halbe Kopf hat gefehlt!«
    »Es ist so zur Welt gekommen«, antwortete Maura. Sie schnitt den Faden ab und knüpfte einen Knoten. Eine Wunde vernähen war im Grunde so ähnlich wie Socken stopfen, nur dass es sich um lebendes Gewebe handelte. Maura war einfach nur die Schneiderin, die das Loch zunähte und den Faden verknotete. »Das Baby hatte Anenzephalie.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Sein Gehirn hat sich nicht richtig entwickelt.«
    »Aber das war doch längst nicht alles. Es sah aus, als hätte man ihm die ganze obere Hälfte des Kopfes abgeschnitten.« Rizzoli schluckte. »Und das Gesicht ...«
    »Das ist alles Teil desselben Defekts. Das Gehirn entwickelt sich aus dem so genannten Neuralrohr. Wenn sich dieses nicht richtig schließt, fehlt dem Baby später der größte Teil des Gehirns, des Schädeldachs und der Kopfhaut. Das ist die Bedeutung des Wortes Anenzephalie – ohne Gehirn.«
    »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«
    »Nur in einem medizinischen Museum. Aber der Defekt ist gar nicht so selten. Er tritt ungefähr bei einer von tausend Schwangerschaften auf.«
    »Was ist die Ursache?«
    »Das weiß man nicht.«
    »Dann könnte es – es kann also jedes Baby treffen?«
    »Ja.« Maura verknotete den letzten Stich und schnitt die überstehenden Fadenenden ab. »Dieses Kind ist mit einer sehr schweren Missbildung zur Welt gekommen. Wenn es nicht schon tot geboren wurde, dann ist es mit ziemlicher Sicherheit sehr bald danach gestorben.«
    »Camille hat es also nicht ertränkt.«
    »Ich werde die Nieren auf Kieselalgen

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