Todsünde
dass es mich erwischt hat. So was passiert doch eigentlich nur naiven Blondinen.« Sie brach ab – und fing an zu lachen. »Na toll, und was bin ich folglich?«
»Mit Sicherheit weder blond noch naiv.«
»Vom Pech verfolgt. Und ganz einfach zu fruchtbar.«
»Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen?«
»Letzte Woche. Er hat mich angerufen.«
»Und da sind Sie nicht auf die Idee gekommen, es ihm zu sagen?«
»Da war ich ja noch nicht sicher.«
»Aber jetzt sind Sie es.«
»Und ich werde es ihm trotzdem nicht sagen. Ich muss mich für das entscheiden, was für mich das Beste ist, und nicht für irgendwen sonst.«
»Was fürchten Sie denn, dass er sagen könnte?«
»Ich habe Angst, dass er mich dazu überredet, mein Leben zu verpfuschen. Dass er mir sagt, ich soll es behalten.«
»Haben Sie wirklich davor Angst? Oder nicht vielmehr davor, dass er es nicht haben will? Dass er Ihnen einen Korb gibt, bevor Sie dazu kommen, ihm einen zu geben?«
Rizzoli sah Maura an. »Wissen Sie was, Doc?«
»Was?«
»Manchmal reden Sie ziemlichen Unsinn daher.«
Und manchmal, dachte Maura, als sie Rizzoli nachsah, wie sie ihr Büro verließ – manchmal treffe ich mitten ins Schwarze.
Rizzoli und Frost saßen in ihrem Einsatzwagen. Aus den Heizungsschlitzen strömte kalte Luft, draußen wirbelten Schneeflocken herab und senkten sich auf die Windschutzscheibe. Der graue Himmel passte zu ihrer Stimmung. Fröstelnd kauerte sie in der düsteren Enge des Wagens, und jede Flocke, die sich auf die Scheibe legte, versperrte ihr ein wenig mehr die Sicht. Sie fühlte sich eingeschlossen, lebendig begraben.
»Geht’s dir jetzt besser?«, fragte Frost.
»Mir brummt der Schädel, das ist alles.«
»Bist du sicher, dass ich dich nicht ins Krankenhaus fahren soll?«
»Ich muss mir bloß irgendwo Tylenol besorgen.«
»Gut. Okay.« Er legte den Gang ein, überlegte es sich dann aber anders und schaltete auf Parkstellung zurück. Er sah sie an. »Rizzoli?«
»Was?«
»Wenn du mal reden willst – egal über was –, ich höre gerne zu.«
Sie gab keine Antwort, blickte nur starr geradeaus auf die Windschutzscheibe, wo die Schneeflocken sich zu einem weißen Filigran formten.
»Wie lange sind wir jetzt schon ein Team – zwei Jahre? Und ich weiß immer noch verdammt wenig über dein Leben«, sagte er. »Meine Geschichten über mich und Alice kannst du wahrscheinlich schon gar nicht mehr hören. Jeden Krach und jeden Streit von uns kriegst du brühwarm serviert, ob es dich interessiert oder nicht. Du sagst aber auch nie, ich soll den Mund halten, also denke ich mir, es macht dir nichts aus. Aber weißt du, was mir aufgefallen ist? Du bist zwar eine gute Zuhörerin, redest jedoch so gut wie nie über dich selbst.«
»Da gibt es auch nicht viel zu erzählen.«
Er dachte einen Moment lang nach. Und fuhr dann beinahe verlegen fort: »Ich habe dich noch nie weinen sehen.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Okay. Für alles gibt es ein erstes Mal.«
»Hör mal, wir sind nicht immer so blendend miteinander ausgekommen.«
»Findest du?«
Frost errötete, wie immer, wenn ihm irgendetwas peinlich war. Der Mann hatte ein Gesicht wie eine Ampel – wurde beim geringsten Anlass knallrot. »Was ich damit sagen will, ist ... wir sind nicht gerade, na ja – Kumpel. «
»Und jetzt hättest du gerne, dass wir Kumpel sind?«
»Ich hätte nichts dagegen.«
»Okay. Wir sind Kumpel«, sagte sie schroff. »Und jetzt lass uns in die Gänge kommen.«
»Äh ... Jane?«
»Was?«
»Ich bin da, wenn du mich brauchst, okay? Das wollte ich dir bloß sagen.«
Sie blinzelte und drehte den Kopf zum Seitenfenster, damit er nicht sehen konnte, welche Wirkung seine Worte auf sie hatten. Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde spürte sie, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Verdammte Hormone. Sie wusste nicht, wieso Frosts Worte sie zum Weinen brachten. Vielleicht lag es nur daran, dass er so rührend um sie besorgt war. Tatsächlich war er schon immer ausgesprochen nett zu ihr gewesen, doch es war ihr nie so deutlich bewusst geworden wie jetzt, und ein kleiner Teil von ihr wünschte sich, dass Frost ein gefühlloser Klotz wäre, der von ihrem ganzen inneren Aufruhr nichts mitbekam. Seine Worte gaben ihr das Gefühl, hilflos und verletzlich zu sein, und so wollte sie auf keinen Fall gesehen werden. So erwarb man sich nicht den Respekt seiner Kollegen.
Sie atmete tief durch und hob den Kopf. Der Moment war vorüber, die Tränen versiegt. Sie
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