Todsünde
schwarzen Haare, die seine Arme bedeckten. Und wenn er ging, wiegte er die Schultern und schwang die langen, kräftigen Arme wie ein Affe. Sie wusste von seiner schwierigen Ehe, und sie wusste, dass er seit seiner Versetzung in den Ruhestand mehr Zeit hatte, als ihm lieb war. Doch als sie ihn jetzt vor sich sah, meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Er hatte schon mehrere Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen und immer wieder vorgeschlagen, dass sie doch mal zusammen essen gehen könnten, doch sie war nie dazu gekommen, ihn zurückzurufen.
Die Bedienung kam an ihren Tisch, erkannte Rizzoli und fragte: »Ein Sam Adams Ale, Detective, wie immer?«
Rizzolis Blick fiel auf Korsaks Glas. Er hatte etwas von seinem Bier verschüttet, und eine Spur von feuchten Flecken zog sich über sein Hemd.
»Äh, nein danke«, sagte sie. »Nur eine Cola.«
»Haben Sie schon gewählt?«
Rizzoli schlug die Speisekarte auf. Nach Bier war ihr heute Abend nicht zumute, aber Hunger hatte sie. »Ich nehme den Chefsalat mit extra Thousand-Island-Dressing. Dann Fisch mit Pommes frites und eine Portion Zwiebelringe. Können Sie mir alles zusammen bringen? Ach ja, und wenn ich bitte eine Extraportion Butter zu den Brötchen haben könnte.«
Korsak lachte. »Tun Sie sich nur keinen Zwang an, Rizzoli.«
»Ich habe nun mal Hunger.«
»Wissen Sie überhaupt, was dieses gebratene Zeug mit Ihren Arterien anrichtet?«
»Na schön, dann kriegen Sie eben nichts von meinen Zwiebelringen ab.«
Die Bedienung wandte sich an Korsak. »Und für Sie, Sir?«
»Gegrillten Lachs, aber mit ganz wenig Butter. Und dazu einen Salat mit Essig-Öl-Dressing.«
Nachdem die Bedienung gegangen war, musterte Rizzoli Korsak mit ungläubiger Miene. »Seit wann essen Sie denn gegrillten Fisch?«
»Seit der da oben mir diesen Warnschuss vor den Bug geknallt hat.«
»Ernähren Sie sich wirklich so? Sie wollen mir nicht bloß irgendwas demonstrieren?«
»Ich habe schon über vier Kilo abgenommen. Und das, obwohl ich auch das Rauchen aufgegeben habe; das heißt, ich habe richtig Gewicht verloren, nicht bloß Wasser.« Er wirkte ein bisschen zu selbstzufrieden, wie er sich so auf seiner Bank zurücklehnte und verkündete: »Ich trainiere jetzt sogar regelmäßig auf dem Laufband.«
»Sie machen Witze.«
»Bin seit neuestem Mitglied in einem Fitness-Club. Da mache ich Cardio-Training – Sie wissen schon, immer schön den Puls kontrollieren, die alte Pumpe im Auge behalten. Ich fühle mich schon zehn Jahre jünger.«
Sie sehen auch zehn Jahre jünger aus – das war es wahrscheinlich, was er von ihr hören wollte. Aber sie sagte es nicht, denn es wäre eine Lüge gewesen.
»Über vier Kilo? Gratuliere«, sagte sie stattdessen. »Muss bloß dranbleiben.«
»Und wie kommen Sie dann dazu, Bier zu trinken?«
»Alkohol ist okay, haben Sie das noch nicht gehört? Die neuesten Erkenntnisse aus dem New England Journal of Medicine. Ein Glas Rotwein ist gut für die Pumpe.« Mit einem kritischen Blick auf die Cola, die die Bedienung Rizzoli soeben serviert hatte, fragte er: »Und was ist das? Sie trinken doch sonst immer Adams Ale.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Heute Abend mal nicht.«
»Aber sonst ist alles okay bei Ihnen?«
Nein, nichts ist okay. Ich bin schwanger, ich bin fix und fertig, und ich kann noch nicht mal ein Bier trinken, ohne dass mir kotzübel wird. »Ich habe ziemlich viel zu tun«, war alles, was ihr über die Lippen kam.
»Ja, hab schon gehört. Was macht denn Ihr Nonnenmord?«
»Wir wissen noch nicht, wer es war.«
»Ich habe gehört, dass eine von den beiden Nonnen ein Kind hatte.«
»Wo haben Sie das denn her?«
»Ach, Sie wissen schon. Die Leute reden.«
»Was haben Sie denn noch alles gehört?«
»Dass Sie ein Baby aus dem Teich gefischt haben.«
Es war unvermeidlich, dass solche Informationen durchsickerten. Auch unter Polizeibeamten wurde geklatscht. Und beim Frühstück erzählten sie es dann ihren Frauen. Sie dachte an die vielen Helfer, die an der Suche beteiligt gewesen waren, an die Mitarbeiter der Gerichtsmedizin, die Kollegen von der Spurensicherung. Es genügte ein Einziger, der seine Zunge nicht im Zaum halten konnte, und bald schon kannte auch ein pensionierter Detective aus Newton alle Details. Ihr graute bereits vor den Schlagzeilen in den Morgenzeitungen. Mord war an sich schon faszinierender Lesestoff, und jetzt kam auch noch verbotener Sex hinzu, eine pikante Zutat, die den Fall noch lange auf den
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