Todsünde
verschiedene Arten. Menschen, die sich lieben, tun das unentwegt, ohne es zu wollen.«
»Du hattest deine Affäre. Und was habe ich getan?«
»Das bringt doch nichts, Maura.«
»Ich will es aber wissen«, sagte sie. »Wie habe ich dich verletzt?«
Er wälzte sich zur Seite, so dass er neben ihr zu liegen kam, ohne sie zu berühren, und fixierte einen Punkt an der Decke. »Erinnerst du dich noch an den Tag, als ich nach Abidjan musste?«
»Ja, sehr gut«, antwortete sie. Wenn sie daran dachte, empfand sie immer noch Bitterkeit.
»Ich gebe zu, es war ein denkbar ungünstiger Moment, dich allein zu lassen, aber ich musste einfach hin. Ich war der Einzige, der diese Verhandlungen führen konnte. Ich musste vor Ort sein.«
»Am Tag nach der Beerdigung meines Vaters?« Sie sah ihn durchdringend an. »Da habe ich dich gebraucht. Zu Hause, an meiner Seite.«
»One Earth hat mich auch gebraucht. Wir hätten den ganzen Container mit Arzneimitteln verlieren können. Die Situation duldete keinen Aufschub.«
»Das habe ich ja auch akzeptiert, oder etwa nicht?«
»Das ist genau der richtige Ausdruck. Du hast es akzeptiert. Aber ich wusste, dass du stinksauer warst.«
»Weil es immer wieder vorkam. Hochzeitstage, Beerdigungen – nichts konnte dich halten. Ich kam immer erst an zweiter Stelle.«
»Und darauf lief es doch letzten Endes hinaus, oder? Ich musste mich zwischen dir und One Earth entscheiden. Ich wollte es nicht; ich wollte nicht wahrhaben, dass es notwendig war. Nicht, wenn ich so viel zu verlieren hatte.«
»Du kannst die Welt nicht im Alleingang retten.«
»Ich kann eine ganze Menge zum Positiven verändern. Das hast du auch einmal geglaubt.«
»Aber jeder ist irgendwann mal am Ende seiner Kräfte. Du bringst Jahre deines Lebens damit zu, dir über die hungernden Menschen in anderen Ländern den Kopf zu zerbrechen. Und dann wachst du eines Tages auf und willst endlich auch einmal an dich denken. Dich auf dein eigenes Leben konzentrieren, vielleicht Kinder haben. Aber auch dafür hattest du nie Zeit.« Sie atmete tief durch und merkte, wie ihr der Gedanke an die Babys, die sie wahrscheinlich nie haben würde, die Kehle zuschnürte und Tränen in die Augen trieb.
Und sie musste an Jane Rizzoli denken, deren Schwangerschaft Maura schmerzlich an ihre eigene Kinderlosigkeit erinnert hatte. »Ich hatte es satt, mit einem Heiligen verheiratet zu sein. Ich wollte einen Mann.«
Einige Sekunden verstrichen. Die Farben der Christbaumlichter verschwammen vor ihren Augen.
Er nahm ihre Hand. »Ich bin wohl derjenige, der versagt hat«, sagte er.
Sie schluckte, und die Farbflecke formten sich wieder zu funkelnden Glühbirnchen an einem Draht. »Das haben wir beide.«
Er ließ ihre Hand nicht los; er hielt sie fest, als fürchtete er, sie könnte ihm für immer entgleiten.
»Wir können so lange reden, wie wir wollen«, sagte sie. »Aber ich kann einfach nicht erkennen, dass sich zwischen uns irgendetwas geändert hätte.«
»Wir wissen doch, was schief gelaufen ist.«
»Das heißt noch lange nicht, dass wir die Fehler diesmal vermeiden könnten.«
Leise erwiderte er: »Wir müssen gar nichts tun, Maura. Wir können einfach nur zusammen sein. Ist das nicht genug für den Augenblick?«
Nur zusammen sein. Es klang so einfach. Sie lag neben ihm, nur ihre Hände berührten sich, und sie dachte: Ja, ich kann das. Ich bringe es sehr wohl fertig, mich nur so weit auf dich einzulassen, dass wir miteinander schlafen können und du mir dennoch nicht wehtun kannst. Sex ohne Liebe – für Männer ist das doch eine Selbstverständlichkeit. Warum nicht auch für mich?
Und vielleicht, flüsterte ihr eine boshafte kleine Stimme zu, vielleicht ist er ja diesmal derjenige, der mit gebrochenem Herzen zurückbleibt.
12
Die Fahrt nach Hyannisport hätte normalerweise nicht länger als zwei Stunden dauern sollen – auf der Route 3 Richtung Süden und dann über die Route 6 Richtung Cape Cod –, aber sie waren gezwungen, zweimal Halt zu machen, weil Rizzoli zur Toilette musste, und so war es bereits drei Uhr nachmittags, als sie die Sagamore Bridge erreichten. Jenseits der Brücke fanden sie sich plötzlich ins Urlaubsparadies von Cape Cod versetzt. Sie fuhren durch kleine Städtchen, die sich wie Perlen an einer Kette am Ufer der Bucht aneinander reihten. Rizzoli kannte Hyannis bisher nur im Sommer, wenn sich Blechlawinen durch die Stadt wälzten und die Touristen in T-Shirts und Shorts vor den Eiscremebuden Schlange
Weitere Kostenlose Bücher