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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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denken. Ein Cocktail ist das Einzige, was ich runterkriege. Und wenn ich mir dann meinen Drink gemixt habe und den Alkohol rieche, fühle ich mich schlagartig wieder ins Labor zurückversetzt. Der scharfe Geruch erinnert mich unweigerlich an Formalin.«
    »Ich habe dich noch nie so über deine Arbeit reden hören.«
    »Sie hat mich auch noch nie so fertig gemacht.«
    »Klingt so gar nicht nach der unerschütterlichen Dr. Isles.«
    »Du weißt, dass ich das nicht bin.«
    »Aber du spielst die Rolle ziemlich gut. Smart und unverwundbar. Ist dir überhaupt klar, wie sehr du deine Studenten an der U. C. eingeschüchtert hast? Sie hatten alle Angst vor dir.«
    Sie schüttelte lachend den Kopf. »Die Königin der Toten.«
    »Wie bitte?«
    »So nennen mich die Cops hier. Natürlich nicht in meiner Gegenwart, aber es ist mir zu Ohren gekommen.«
    »Gefällt mir irgendwie. ›Die Königin der Toten‹.«
    »Also, ich hasse den Namen.« Sie schloss die Augen und ließ sich in die Kissen sinken. »Das klingt, als wäre ich ein Vampir. Irgendwie grotesk.«
    Sie hatte nicht gehört, wie er sich von der Couch erhoben und sich hinter sie gestellt hatte, und erschrak deshalb, als sie plötzlich seine Hände auf ihren Schultern spürte. Sie verharrte reglos, und seine bloße Berührung jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
    »Entspann dich«, murmelte er, während seine Finger ihre Muskeln kneteten. »Das ist etwas, was du nie richtig gelernt hast.«
    »Lass das, Victor.«
    »Du lässt dich nie einfach mal gehen. Du willst immer nur hundertprozentig perfekt erscheinen.«
    Seine Finger gruben sich tief in ihre Schultern und ihren Nacken. Tastend, forschend, zudringlich. Sie reagierte, indem sie sich noch mehr verspannte, indem ihre Muskeln sich in einer instinktiven Abwehrhaltung verhärteten.
    »Kein Wunder, dass du erschöpft bist«, sagte er. »Du bist ständig in Alarmbereitschaft. Du kannst dich nicht mal zurücklehnen und es genießen, wenn dich jemand berührt.«
    » Lass das! « Sie wand sich los und stand auf. Als sie sich zu ihm umdrehte, kribbelte ihre Haut immer noch von seiner Berührung. »Was läuft denn hier eigentlich ab, Victor?«
    »Ich wollte dir nur helfen, dich zu entspannen.«
    »Ich bin entspannt genug, vielen Dank.«
    »Du bist so verkrampft, dass deine Muskeln sich anfühlen, als müssten sie jeden Moment reißen.«
    »Wundert dich das? Ich weiß ja auch nicht, was du hier tust. Ich weiß nicht, was du willst.«
    »Was hältst du davon: Ich will einfach nur, dass wir wieder Freunde sind.«
    »Können wir das?«
    »Warum nicht?«
    Sie sah ihm in die Augen und spürte im gleichen Moment, wie sie errötete. »Weil wir zu viel miteinander erlebt haben. Weil wir uns ...« Immer noch zueinander hingezogen fühlen, dachte sie. Stattdessen sagte sie: »Ich bezweifle, dass es zwischen Männern und Frauen so etwas wie Freundschaft überhaupt geben kann.«
    »Das ist eine sehr pessimistische Einschätzung.«
    »Nein, eine realistische. Ich habe jeden Tag mit Männern zu tun. Ich weiß, dass ich sie einschüchtere, und das ist auch meine Absicht. Ich will, dass sie in mir eine Autoritätsperson sehen.
    Ein Gehirn in einem weißen Kittel. Denn wenn sie einmal anfangen, in mir die Frau zu sehen, kommt sofort der Gedanke an Sex in die Quere.«
    Er lachte spöttisch. »Und das würde alles verderben?«
    »Ja.«
    »Du kannst ihnen noch so autoritär kommen, Maura – die Männer schauen dich an, und was sie sehen, ist eine attraktive Frau. Du könntest dir allenfalls eine Papiertüte über den Kopf stülpen. Es ist nun einmal so. Der Gedanke an Sex liegt immer in der Luft. Du kannst das nicht verhindern.«
    »Und deshalb können wir nicht einfach nur Freunde sein.« Sie nahm die leeren Gläser vom Tisch und trug sie in die Küche.
    Er folgte ihr nicht.
    Sie stand am Spülbecken und starrte auf die Gläser. Der säuerlich-herbe Geschmack von Limetten und Wodka lag ihr noch auf der Zunge, und die Erinnerung an seinen Duft war frisch und lebendig. Ja, der Gedanke an Sex lag in der Luft, und er trieb sein Spiel mit ihr, ließ Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchen, die sie nicht verdrängen konnte, so sehr sie es auch versuchte. Sie dachte an jenen Abend zurück, als sie spät aus dem Kino nach Hause gekommen waren und sich, kaum dass sie über die Schwelle getreten waren, gegenseitig die Kleider vom Leib gerissen hatten. Hemmungslos, fast brutal waren sie auf dem bloßen Parkett übereinander hergefallen, und so tief

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