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Todtsteltzers Ehre

Todtsteltzers Ehre

Titel: Todtsteltzers Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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verschwanden wieder,
manchmal in Schattierungen, die er nicht benennen konnte, und
ihm war ohne erkennbaren Grund nach Weinen oder Lachen
zumute. Und überall arbeiteten fremdartige Maschinen, große
und kleine und mittlere, auf unbekannte Ziele hin. Daniel
durchwanderte das alles wie eine Ratte in einem elektronischen
Labyrinth, erschöpft und mit Schmerzen in allen Gliedmaßen,
aber weitergetrieben von der Hoffnung, daß ihm irgendwo und
irgendwann gestattet sein würde, seinem Vater zu begegnen.
Endlich erreichte er sein Ziel, oder die KIs wurden es müde,
ihn im Kreis herumlaufen zu lassen. Die Lichter im Boden
führten ihn in einen Saal, der nach menschlichen Begriffen
groß war, ihm aber behaglich erschien nach den riesigen Metallhöhlen, die er durchschritten hatte. Dicke gerippte Kabel,
von denen Öl tropfte, bedeckten die Wände, in komplexen Mustern miteinander verwoben. Gelegentlich rührten sich einzelne
Kabel wie träumende Schlangen. Eine Ehrengarde aus Furien,
die in ihren nackten Metallchassis hell schimmerten, bildete in
Habachtstellung eine Doppelreihe, die er durchschreiten mußte.
Daniel tat es erhobenen Hauptes und zählte sie verstohlen, bis
die Zahl zu groß wurde und er aufgab. Ihm wurde klar, daß ihn
jemand am Ende der Formation erwartete. Er wäre ja losgerannt, um ihn zu begrüßen, hatte aber nicht mehr die Kraft dafür, also schleppte er sich einfach weiter, bis er schließlich zwischen den letzten Furien schwankend stehenbleiben und die
wartende Gestalt seines toten Vaters Jakob Wolf anlächeln
konnte.
Jakob hatte bei seinem Überraschungsauftritt als Geistkrieger
an Löwensteins Hof nicht allzu gut ausgesehen, aber jetzt war
es noch schlimmer. Er war nackt wie sein Sohn und machte
den Fakten alle Ehre – eine Leiche, die von konservierenden
Chemikalien und High-Tech-Implantaten zusammengehalten
wurde. Die Haut war größtenteils leichenblaß, mit einigen Purpurflecken, aufgesprungen und verfault und zusammengehalten
von Metallklammern, die rings um vorstehende Metallverstärkungen angeordnet waren. Braun verfärbte Knochen und grau
verfärbte Muskeln waren durch Risse in Haut und Fleisch erkennbar. Die Lippen waren farblos, die Augen gelb wie Urin.
Jakob Wolf lächelte seinen Sohn an, und die Haut spannte sich
und riß um die Lippen auf. Die Zähne waren dunkelgelb. Shub hatte ihn nach dem Tod bewahrt, zeigte sich aber an kosmetischen Reparaturen desinteressiert. Oder vielleicht hatten sie ihn
absichtlich in diesem Zustand belassen, damit er umso mehr
Entsetzen und Widerwillen bei denen auslöste, die ihn erblickten. Die KIs begriffen menschliche Psychologie nicht annähernd so gut, wie sie dachten, aber sie experimentierten nun
einmal so gern.
»Hallo Vater«, sagte Daniel. »Ich bin weit gereist, um dich
zu sehen.«
»Hast ja lange genug gebraucht«, sagte Jakob. »Aber andererseits bis du schon immer zu spät zu allem gekommen, was
wichtig ist.« Daniel streckte die Arme aus, um den Vater zu
umarmen, aber Jakob hob eine Hand und schüttelte den Kopf.
»Lieber nicht, Junge. Ich bin gebrechlich.«
Daniel ruckte und ließ die Arme wieder müde an den Seiten
hängen. »Wie geht es dir, Vater?«
Die toten Lippen lächelten wieder. »Den Umständen entsprechend gut. Komm jetzt mit. Ich habe dir solche Wunder zu zeigen!«
Und er wandte sich um und latschte schwankend davon, als
die Metallimplantate den verwesenden Leib bewegten. Daniel
lief ihm nach, so rasch er konnte. »Aber … Vater, wir müssen
miteinander reden! Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt,
und ich muß dir einiges erzählen.«
»Später«, sagte Jakob, ohne sich umzudrehen. »Später bleibt
noch Zeit für vieles. Zunächst mußt du einige Dinge zu sehen
bekommen. Die KIs verlangen es.«
»Werde ich ihnen wirklich begegnen?« fragte Daniel. »Ich
denke nicht, daß irgend jemand im Menschenraum irgendeine
Vorstellung hat, wie sie wirklich aussehen.«
Der tote Mann lachte kurz, ein rauher, kratzender Laut. »Du
spazierst schon seit einiger Zeit durch sie hindurch. Die KIs
sind mit ihrer Welt identisch; Shub ist ihr Körper. Und sie leben auch in jedem Teil dieses Planeten, den sie von hier fortschicken. Sie existieren in jeder Maschine, jedem Roboter, jedem Geistkrieger. Sogar du müßtest wissen, daß Lektronen
fähig sind, eine fast unendliche Zahl von Berechnungen gleichzeitig durchzuführen. Ihr Bewußtsein weiß nichts von Beschränkungen, wie sie Menschen eigen sind. Wo

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