Todtsteltzers Ehre
nie zu mir
zurückgekehrt. Und wie du wollte ich nie einen Beweis für
ihren Tod finden. Solange sie offiziell als vermißt galten, bestand immer noch die Möglichkeit, daß sie eines Tages wieder
auftauchten.« Für einen Moment wirkte er ziemlich verloren
und verletzlich, aber dieser Augenblick ging vorüber, und er
war rasch wieder ganz der alte. Er blickte auf und musterte
Grace unverwandt. »Warum wurde ich nicht dem Schwarzen
Block übergeben wie so viele meiner Altersgefährten?«
»Dein Vater war kein Freund dieser Gruppe, und Gregor hatte noch Verwendung für dich. Nicht, daß auch er ihnen je über
den Weg getraut hätte! Gregor erwartete stets von jedem das
Schlimmste, und im Fall des Schwarzen Blocks hat es ganz den
Anschein, als würde er recht behalten. Der Diener hat sich zum
Herrn aufgeschwungen. Nur ein weiterer Grund für mich, die
politische Bühne zu betreten. Die Familie muß vor jedem Einfluß und jedem Druck bewahrt werden, der von außen stammt.
Ah, der Tee!«
Die Tür hatte sich lautlos geöffnet, und Toby und Flynn
blickten auf und sahen, wie sich ihnen ein Diener näherte. Auf
einem Silbertablett trug er eine silberne Teekanne sowie ein
fein gearbeitetes Milchkännchen und Tassen aus Porzellan.
Dem Diener dichtauf folgte einem hübschen Kleid eine junge
Frau in, die unter schulterlangen Goldlocken ein breites Lächeln zeigte. Toby stand rasch auf, um sie zu begrüßen, und
lächelte dabei nicht weniger breit, während der Diener die Teesachen auf einem praktischen kleinen Tisch neben Grace aufstellte. Grace bedachte Toby und die junge Frau mit einem
wissenden Blick und beschäftigte sich mit dem Teeservice,
nachdem sie dem Diener mit einem Nicken zu verstehen gegeben hatte, er möge sich entfernen. Er tat wie geheißen und ging
auf dem ganzem Weg rückwärts. Flynn betrachtete Toby interessiert, als dieser die Hand der jungen Frau ergriff.
»Clarissa, du siehst sehr gut aus, richtig gut!«
»Und ich fühle mich auch viel besser, dank dir, lieber Toby.
Die Chirurgen entfernen die Implantate, die Löwenstein mir
hat einsetzen lassen, so schnell wie möglich, aber es ist eine
langwierige Arbeit. Wenigstens habe ich schon wieder menschliche Augen, um dich anzusehen.«
»Und sehr hübsche Augen obendrein! Das Haar ist auch neu,
nicht wahr?«
»Es ist nur eine Perücke, die ich trage, bis die echten Haare
nachgewachsen sind. Du hast so viel für mich getan, Toby! Ich
weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.«
»Oh, ich bin sicher, daß ihm dazu etwas einfällt!« warf Grace
scharf ein. »Das war jetzt genug Rührseligkeit für den Augenblick, meine Lieben. Macht nur kurz damit weiter, und der Tee
wird viel zu bitter. Kommt und setzt euch, während ich eingieße.«
Clarissa zog sich einen Stuhl heran, so daß er direkt neben
Tobys Platz stand, und sie setzten sich, wobei sie sich weiterhin gegenseitig anlächelten. Flynn hustete höflich und nickte
Clarissa lächelnd zu.
»Hallo Flynn«, sagte sie und badete auch ihn in ihrem Lächeln. »Wie geht es Euch?«
»Ich mache gerade Überstunden, dank meines brutalen Bosses, obwohl ich eigentlich längst zu Hause sein und mich entspannen sollte. Fühlt Ihr Euch inzwischen hier glücklich und
daheim?«
»Schwer zu sagen«, meinte Grace und behielt dabei das Teeservice unverwandt im Blick. »Sie verbringt die meiste Zeit in
ihrem Zimmer und fährt jedesmal zusammen, wenn sie ein
lautes Geräusch hört. Der einzige Mensch, mit dem sie spricht,
ist Tobias, und das auch nur über Monitor.«
»Sie hat viel durchgemacht«, verteidigte Toby sie. »Da ist es
nur normal, wenn sie einige Zeit braucht, um … sich wieder
zurechtzufinden. Du hast ihr doch nicht zugesetzt, oder?«
»O nein!« warf Clarissa rasch ein. »Sie ist sehr hilfreich. Mir
ist … einfach noch nicht danach zumute, sonst jemanden zu
empfangen. Nicht, bis ich wieder ganz die alte bin, aus der
Zeit, ehe mich Löwenstein in eine ihrer verdammten
Leibwächterinnen verwandelte. Dann überlege ich mir, mich
wieder unter Menschen zu mischen.«
»Natürlich«, sagte Toby. »Übereile es nicht. Nimm dir alle
Zeit, die du brauchst.«
»Ich höre manchmal von anderen Zofen, die gerettet wurden«, sagte Clarissa und blickte dabei auf die Hände, die sie im
Schoß gefaltet hatte. »Mehrere von uns sind verrückt geworden, und drei haben sich lieber umgebracht, als daran erinnert
zu werden, wer sie früher waren und was sie getan haben. So
könnte ich nie handeln.
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