Todtsteltzers Ehre
stand, unbemerkt von dem besessenen Julian, Stephanie Wolf, Valentins Schwester und Konstanzes
Stieftochter – groß, blond, jungenhaft schmal, randvoll von
mühsam unterdrücktem Groll. Als ihr verstorbener Vater Jakob
noch der Wolf gewesen war, hatte der Clan zu den mächtigsten
des Imperiums gehört. Dann starb Jakob und übernahm Valentin die Familie, und alles ging zum Teufel. Jetzt war Valentin
auf der Flucht, hatten die abtrünnigen KIs von Shub Jakobs
Leiche in einen Geistkrieger verwandelt und hatte sich ihr geliebter Bruder Daniel auf die Suche nach ihm gemacht. Womit
nur Konstanze und Stephanie zurückblieben, um den Clan
Wolf in den höchsten Kreisen zu vertreten.
»Ich sollte die Wolf sein«, sagte Stephanie nicht zum ersten
Mal.
»Natürlich solltet Ihr das«, sagte SB Chojiro und schenkte ihr
ein Lächeln, das überhaupt nichts ausdrückte. »Und werdet Ihr
auch sein. Der Schwarze Block hat es Euch versprochen.«
»Ihr redet und redet, aber nichts ändert sich.« Stephanie
schnitt ein finsteres Gesicht. »Konstanze kann nicht die Wolf
sein. Sie hat kein Recht dazu. Ich bin von Jakobs Blut. Sie hat
ihn nur geheiratet.«
»Habe ich in letzter Zeit schon erwähnt, wie besessen Ihr von
diesem Thema seid, Stephanie? Das ist nur einer der Gründe,
warum so viele Angehörige Eurer Klasse zur Zeit Konstanze
als Clanoberhaupt vorziehen. Sie betrachten sie als … zugänglicher. Wir beide begegnen uns so selten, wie ich irgend einrichten kann, und trotzdem kenne ich Euren Refrain so gut, daß
ich ihn praktisch mitsingen könnte. Wechseln wir doch bitte
das Thema, ehe mir die Ohren bluten. Schon irgendein Zeichen
von Daniel?«
»Nein.« Stephanies Miene verdunkelte sich weiter, als ehrliche Besorgnis ihren Mund von einer mürrischen Schnute in
eine flache, gepreßte Linie verwandelte. Daniel war der einzige
andere Mensch, auf den sie überhaupt etwas gab. »Zuletzt
wurde er gesehen, wie er in den Verbotenen Sektor flog. Anscheinend weiß niemand, wie er an den Quarantäneschiffen
vorbeigekommen ist. Das einzige Ziel, das jetzt noch vor ihm
liegt, ist Shub . Armer verdammter Idiot.«
»Ja. Wünschen wir ihm den Trost eines schnellen Todes.«
»Nein! Er ist keine Gefahr für Shub . Sie werden es dort erkennen und ihn zurückschicken. Was nützte es ihnen, jemandem weh zu tun, der so harmlos ist?«
Sie tun uns weh, weil sie es können, dachte SB. W eil s ie
künstliche Wesen aus lebendem Metall sind und nur Haß auf
alles empfinden, was aus Fleisch ist. »Ja«, sagte sie laut. »Hoffen wir auf ein Wunder. Hoffen kostet nichts.«
Stephanie schniefte. »Was auch passiert, Daniel wird überleben. Schließlich ist er ein Wolf. Aber falls der Clan überleben
soll, muß ich ihn führen. Eurem Vorschlag folgend habe ich
mich in den unteren Kreisen der Familie umgeschaut und Unterstützung mobilisiert. Viele sind unzufrieden mit einer Außenseiterin als Clanoberhaupt. Sie würden mich unterstützen,
wenn ich es zum Wohle der Familie für nötig hielte … bestimmte Schritte zu unternehmen.«
Zum ersten Mal wandte sich SB direkt Stephanie zu und
bannte sie mit festem Blick. »Wie ich schon einmal gesagt habe, werdet Ihr Konstanze nicht töten oder töten lassen, wenn
dadurch irgendeine Spur zurückbleibt, die auf Euch weist. Das
Abkommen, das wir mit Ohnesorg getroffen haben, untersagt
solche Maßnahmen.«
»Uns bleibt vielleicht keine andere Wahl«, entgegnete Stephanie hartnäckig. »Ihr habt gesehen, wie Konstanze mit Owen
gesprochen hat. Ihr wißt so gut wie ich, worüber sie diskutiert
haben. Eine Eheschließung zwischen ihr und dem Todtsteltzer
brächte das ganze Haus Wolf unter ihre gemeinsame Kontrolle.
Der Clan Todtsteltzer könnte den Clan Wolf womöglich gar
schlucken, und unser Name wäre für immer dahin! Das dürfen
wir nicht zulassen. Wir müssen gegen Konstanze losschlagen,
solange wir noch können. Wenn erst Owen über sie wacht,
kommen wir nie mehr an sie heran.«
»Wie immer denkt Ihr zu kleinkariert, Stephanie. Wenn diese
Ehe erst geschlossen ist, dürfte es nicht allzu schwierig sein,
Owen zu steuern, indem wir Drohungen gegen Konstanze aussprechen. Vielleicht liebt er sie nicht, aber als ihr Gatte wäre er
gezwungen, sie zu schützen oder vor der Gesellschaft weitgehend das Gesicht zu verlieren. Owen ist Realist genug, um die
Verhältnisse zu begreifen. Er wird die Herrschaft über den
Clan Wolf an Euch abtreten, und dann haben wir sowohl den
Clan Wolf als
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