Todtsteltzers Ehre
sprechen, weil ich nur ein Klon
bin. Du bist Aristokrat, ich dagegen nicht. Nicht wirklich.
Manche würden sogar sagen, ich wäre kein richtiger Mensch.
Und selbst in unserer wunderbaren neuen Ordnung wäre eine
Eheschließung zwischen Aristokrat und Klon ein Skandal,
Kinder daraus eine Geschmacklosigkeit. Falls irgend jemand
davon erführe …«
»Du bist menschlicher als die meisten Leute, mit denen ich
zu tun habe«, erklärte Finlay. »Du bist Hunderte von ihnen
wert! Tausende.« Sie sank in seine Arme und drückte das Gesicht an seine Schulter, damit er ihre Tränen nicht sah. Er wußte jedoch, daß sie da waren, redete allerdings weiter, als ahnte
er nichts davon, und bemühte sich um einen gleichmäßigen
Ton. »Ich kann dich nicht heiraten, Evangeline. Nicht weil du
ein Klon bist, sondern weil eine Scheidung von Adrienne mich
Persönlichkeiten entfremden würde, mit denen ich gezwungen
bin, engen Umgang zu pflegen. In unseren Kreisen wird Politik
nach wie vor weitgehend von alten Familienbindungen bestimmt, und meine Stellung ist auch so schon prekär genug.
Aber du bist meine Liebe, mein Leben – die einzige Frau, aus
der ich mir je etwas gemacht habe. Natürlich können wir Kinder haben, wenn du möchtest. Die Leute werden Zugeständnisse machen. Das haben sie immer.«
Evangeline drückte ihn so fest, daß sie glaubte, sie täte ihm
weh, aber er sagte keinen Ton. Als sie überzeugt war, daß ihre
Tränen getrocknet waren, ließ sie ihn los und wich zurück. Und
dann tauchte jemand auf und holte Finlay zu wichtigen Geschäften ab, und Evangeline blieb allein zurück. Sie blickte
ihm hinterher, ein tapferes, leises Lächeln im Gesicht, aber
dahinter stürzten ihre Gedanken wild durcheinander. Ehe sie
auch nur davon träumen konnte, mit Finlay eine Familie zu
gründen, mußte sie vieles in ihrem Leben in Ordnung bringen –
überwiegend Dinge, von denen Finlay nichts wußte und nie
etwas erfahren durfte.
Finlay wußte, daß Evangeline aus einem toten Original geklont worden war, aber den Grund kannte er nicht. Gregor
Shreck hatte seine Evangeline mehr wie ein Mann als wie ein
Vater geliebt und sie schließlich in einem Wutanfall ermordet,
als sie zu fliehen versuchte. Um das Verbrechen zu vertuschen
und seine Tochter wieder ins Bett zu bekommen, ließ er sie
unter strengster Geheimhaltung klonen, und dieser Klon war
die Evangeline, die Finlay kennen und lieben lernte. Er rettete
sie vor ihrem Vater und half ihr dabei, ein eigenes Leben aufzubauen. Er erfuhr jedoch nie, wovor genau er sie gerettet hatte, und Evangeline brachte es nie über sich, ihm alles zu erklären. Falls er es je herausfand, würde er Gregor ermorden und
einen Dreck auf die Folgen geben. Das konnte Evangeline
nicht hinnehmen. Zwar wollte sie Gregor tot sehen, wünschte
es sich aus tiefster Herzensverzweiflung, aber Finlay durfte nie
davon erfahren. Es täte ihm zu weh. Und vielleicht fürchtete sie
in einem versteckten Winkel, seine Gefühle ihr gegenüber
könnten sich ändern, wenn er die Wahrheit erfuhr.
Außerdem war Gregor Shreck ein mächtiger und gefährlicher
Mann, auch wenn er in letzter Zeit viel Ansehen verloren hatte.
Er umgab sich mit einer Armee privater Wachleute, und nicht
mal Finlay Feldglöck konnte es allein mit einer ganzen Armee
aufnehmen.
Evangeline brachte es einfach nicht über sich, das Risiko einzugehen, daß sie ihn verlor. Nicht, nachdem sie soviel durchgemacht hatten, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt waren.
Geheimnisse! So viele Geheimnisse zwischen zwei Menschen!
Und es gab noch mehr. Ehe sich Gregor hinter seine Privatarmee und genügend Einfluß auf korrupte Instanzen zurückzog,
um selbst das Parlament auf Distanz zu halten, hatte er mit
Evangeline Kontakt aufgenommen und sie informiert, daß er
ihre beste Freundin, Penny DeCarlo, gefangengenommen hatte.
Und daß die liebe Penny unter scheußlichen Schmerzen sterben
würde, falls Evangeline nicht zu ihm zurückkehrte. Auch davon wußte Finlay nichts. Sie hatte es ihm nicht erzählt. Denn
auch in diesem Fall wäre er als ihr Held losgestürzt und hätte
sich um Kopf und Kragen gebracht. Bislang hielt Evangeline
Gregor mit diversen Listen hin, die ihr aber jetzt allmählich
ausgingen. Bald mußte sie einen Weg finden, Penny ohne Finlay zu retten, oder sich wieder in Gregors Hand geben und hoffen, eine Art Abkommen zu treffen. Jeder Weg brachte Gefahren mit sich, aber ihre Zeit in der Rebellion hatte
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