Todtsteltzers Ehre
brachte.«
Hazel umklammerte grimmig Owens Arm, damit er nicht den
Disruptor ziehen konnte. Die umstehenden Wachleute sahen
besorgt zu. Hazel packte mit einer Hand Owens Kinn und
zwang ihn, sie anzusehen. »Tu es nicht, Owen. Du müßtest
eine Menge unschuldiger Menschen töten, ehe du Gutmann
erwischen würdest.«
Owen befreite sein Kinn mit einem Ruck und funkelte sie an.
Er atmete schwer. »Ich dachte, wenigstens Ihr würdet mich
verstehen.«
»Das tue ich, Owen, das tue ich. Aber dies ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort.«
Es war ganz still geworden im Plenarsaal. Alle warteten ab,
was der Todtsteltzer unternahm. Die Wachleute achteten darauf, nichts zu tun, was ihn provozieren könnte. Owen blickte
sich langsam um, und die Wut floß aus ihm heraus. Er nahm
die Hand vom Disruptor an seiner Seite. Man hörte, wie viele
Menschen angehaltene Luft wieder herausließen. Owen nickte
Hazel zu.
»Was ist nur passiert, daß Ihr mir Vorträge über Selbstbeherrschung halten müßt? Aber Ihr habt recht; es wird sich eine
bessere Gelegenheit finden.«
Er wandte Gutmann den Rücken zu und marschierte davon,
um sich der Zuschauermenge in der zugewiesenen Zone anzuschließen. Hazel bedachte Gutmann mit einem harten Blick
und lief dann Owen nach – nur für alle Fälle. Nicht weit von
der Szene spendeten Jakob Ohnesorg und Ruby Reise Beifall.
Viele andere erweckten den Eindruck, sie hätten es auch gern
getan. Die Wachleute senkten die Waffen, hoben ihre zwei zu
Boden gestreckten Kameraden auf und zogen sich so rasch
zurück, wie es die Ehre gestattete. Toby Shreck grinste von
einem Ohr zum anderen, zuversichtlich, daß Flynn alles auf
Film hatte.
Elias Gutmann wartete kurz, bis er sicher war, daß er die
Stimme wieder unter Kontrolle hatte, und eröffnete die Plenarsitzung mit einer gefühlsbetonten Rede, die lediglich aus aufrüttelnden Geräuschfetzen bestand. Alle spendeten der Rede
Beifall aufgrund des Vorzuges, daß sie kurz war, und das Parlament widmete sich endlich der Tagesordnung. Darauf stand
als erstes ein Bericht der Kyberratten, die zur Zeit die Lektronenmatrix von Golgatha nach Spuren einer Infiltration durch
die abtrünnigen KIs von Shub untersuchten.
Vor den Abgeordneten und den Zuschauern tauchte ein
Sichtschirm auf, der mitten in der Luft schwebte. Kräftige Farben zuckten darüber hinweg und formierten sich schließlich zu
Kopf und Schultern desjenigen, der heute für die Kyberratten
sprach. Diese erwiesen sich in solchen Fragen als eher locker,
denn sie kümmerten sich wenig um die Belange der Welt außerhalb ihrer kostbaren Rechner. Die Kyberratten lebten ganz
für die Zeit, die sie eingetaucht in der kybernetischen Welt
verbrachten, und traten nie öffentlich in Erscheinung, solange
sie es vermeiden konnten. Jeder, der mal einen dieser Leute zu
sehen bekam, verstand gleich den Grund. Sie waren mit genügend Techimplantaten, Zusätzen und modernsten Optionen
ausgestattet, um formell als Kyborgs durchzugehen, und ihre
persönlichen Angewohnheiten grenzten oft ans Abstoßende.
Sie interessierten sich nur für Tech und für das, was diese für
sie leisten konnte, und oft vergaßen sie die Bedürfnisse des
bloßen Fleisches, in dem sie lebten.
Der heutige Vertreter, der sich des Kodenamens Kabelhase
erfreute, sah aus, als wäre er schon vor Tagen gestorben und
nur dazu ausgegraben worden, um heute Bericht zu erstatten.
Die Hautfarbe war Staubgrau, und das Gesicht so spitz und
knochig, daß es an Auszehrung grenzte. Ein Nährstoffschlauch
steckte in einer Ader am Hals, und ein Lektronenstecker war in
die leere rechte Augenhöhle eingestöpselt. Kabelhase lächelte
die Menge verschwommen an und zeigte dabei Zähne, die in
wirklich grauenhaftem Zustand waren.
»O Mann, so viele Leute auf einem Haufen! Ich kriege die
Atmosphäre von hier aus mit. Grüße, ihr Fleischmenschen; hier
spricht der echte Schwermetalltyp Kabelhase und wünscht
euch alles Gute! Halleluja, laßt uns in fremden Zungen reden!
Alle Macht den Leuten, die sich für wirklich halten, aber auch
denen, die noch darüber nachdenken. Für alle anderen besteht
das Geheimnis darin, die Neuronen zusammenzuknallen, Leute! Ich und meine total vollgedröhnten Kumpels sind durch das
Silikon der Matrix gesurft und haben nach diesen absolut bösen
Metallfreaks von dem Ort gesucht, über den wir nicht reden,
und soweit muß ich euch sagen, daß wir absolut garnix gefunden haben. Zero,
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