Todtsteltzers Ehre
denn Mater
Mundi hatte sie verlassen, und Johana trug wieder den alten
Namen Diana Vertue. Trotzdem war sie immer noch eine
Macht, mit der man rechnen mußte, und die meisten Leute hatten genug Verstand, in ihrer Nähe sehr nervös zu werden. Heute repräsentierte sie die Esper-Bewegung im Parlament, vor
allem deshalb, weil alle anderen Mitglieder der Bewegung zu
viel Angst hatten, um ihr das abzuschlagen. Sie bahnte sich
jetzt einen Weg nach vorn durch die Menge, und die Leute
beeilten sich, ihr auszuweichen. Sie blieb vor Owen stehen, der
sich höflich vor ihr verbeugte.
Um die Wahrheit zu sagen: Auch er hatte ein bißchen Angst
vor ihr, aber er hielt nichts davon, solche Dinge vor aller Welt
zu zeigen.
»Hallo Diana, Ihr seht ganz normal aus. Was für eine Petition
könnte das sein?«
»Alle ESP-Blocker aus dem Parlament zu entfernen, damit
wir die Gedanken aller Anwesenden lesen und herausfinden
können, ob auch jeder das ist, was er vorgibt.« Dianas Stimme
klang barsch und rauh und absolut einschüchternd. Die Kehle
war geschädigt von den Schreien, die Diana in den Gefängniszellen von Golgatha ausgestoßen hatte, und hatte sich nie wieder ganz erholt. »Die ESP-Blocker müssen weg. Nicht nur Shub liefert uns Gründe, besorgt zu sein. Erinnert Ihr Euch
noch an das gestaltwandelnde Fremdwesen, das bei Hofe erschien? Es ahmte einen Mann so exakt nach, daß nicht einmal
seine Freunde den Unterschied erkennen konnten. Wirkliche
Sicherheit im Parlament können wir nur wahren, indem wir die
Gedanken aller lesen und keine Ausnahmen erlauben. Klingt
für mich absolut vernünftig.«
»Das liegt daran, daß Ihr so seltsam seid«, fand Gutmann,
und praktisch alle nickten beifällig. »Euer Antrag ist völlig
inakzeptabel. Jeder hier hat ein Recht auf Unverletzlichkeit der
Gedanken.«
»Dieses eine Mal muß ich Euch zustimmen«, sagte Owen.
»Wir alle kennen Geheimnisse, die gewahrt bleiben müssen.
Selbst wenn sie nur für uns wirklich wichtig sind. Oder vielleicht besonders die. Aber ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt.
Vielleicht könnten wir ein System ausarbeiten, das auf Freiwilligkeit beruht …«
»Nur zu«, sagte Gutmann. »Ihr zuerst.«
Owen mußte unwillkürlich lächeln. »Geben wir diese Frage
an die Kirche weiter. Sie hat Erfahrung mit Beichten.«
»Wir werden es ins Auge fassen«, sagte Gutmann. »Und falls
Euch das nicht reicht, Esper Vertue, fühlt Euch frei, Euer Anliegen dem zuständigen Unterausschuß vorzulegen. Zu einem
späteren Zeitpunkt. Allerdings führt uns dieses Thema nahtlos
zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung. Im Rahmen des
Abkommens, das Jakob Ohnesorg mit den Familien ausgehandelt hat, gelten Klone und Esper nicht mehr als Besitztum, sondern als Bürger aus eigenem Recht. So lobenswert und gerecht
das scheinen mag, hat es doch zu unerwarteten Problemen geführt. Seit Jahrhunderten beruhten Handel und Industrie im
ganzen Imperium auf der unbegrenzten Verfügbarkeit der Arbeitskraft von Klonen und Espern. Jetzt müssen sie durch bezahlte Arbeiter oder neue Techniken ersetzt werden, was beides
äußerst teuer ist. Veränderungen sind immer kostspielig, und
jemand muß dafür aufkommen.
Da wir die Lektronen der Steuerbehörde endlich wieder in
Gang bringen konnten …« Und an diesem Punkt legte Gutmann eine Pause ein, um wie alle anderen im Saal böse die
Personen anzuschauen, die für die Zerstörung der Rechner verantwortlich waren, nämlich Owen und Hazel, die lächelten und
bescheiden nickten. »… war unser erster Gedanke, die Einstiegsrate der Einkommenssteuer zu erhöhen. Die breite Masse
der Bürger machte jedoch rasch ausgesprochen deutlich, daß
sie dies als sehr schlechte Idee betrachtet. Sie schlug vor, daß
die Aristokraten als die Wohlhabendsten unter uns die Last
schultern sollten. Die Clans ihrerseits wiesen nicht zu Unrecht
darauf hin, daß viele von ihnen durch den Verlust an Macht
und Lenkungsmöglichkeiten, wie ihn Ohnesorgs Abkommen
mit sich brachte, schon fast verarmt wären; sie hielten es für im
Grunde nicht fair, noch mehr gestraft zu werden. Dunkle Andeutungen sprachen vom drohenden Zusammenbruch von Industrien in Familienhand und von der Massenarbeitslosigkeit,
die daraus entstünde. Umfangreiche Diskussionen und Verhandlungen und Ausschüsse in beliebiger Zahl erbrachten bislang keine brauchbaren Ergebnisse.«
»Er hält sogar noch längere Ansprachen als du, Owen«,
murmelte Hazel. »Ich bin beeindruckt.«
»Und
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