Todtstelzers Krieg
sicher, daß Ihr gelandet seid. Sie werden kommen, um
Euch zu töten. Bitte, kommt mit uns. Wir bringen Euch an einen sicheren Ort und erklären alles weitere unterwegs.«
Er lächelte die Menschen gewinnend an, und unwillkürlich
erwiderten alle das Lächeln, ob sie wollten oder nicht. Er war
eben so ein freundlicher Bär. Und weil er Reineke Bär war, das
vertrauenswürdigste aller Tiere, blickten sich die Rebellen an,
nickten einstimmig und folgten dem Bären über den grasbewachsenen Hang weg von der zerstörten Empfangsstation. Der
Seebock bildete die Nachhut. Er brummte vor sich hin und
starrte ununterbrochen mit wilden Blicken um sich, als erwarte
er jeden Augenblick einen Angriff. Und das, obwohl sie alle
meilenweit über die offene Grasebene sehen konnten und absolut nichts Lebendiges in Sicht war. Reineke Bär führte die kleine Gruppe, und er gab sein Bestes, fröhlich und zuversichtlich
zu wirken, während er mit ruhiger, leiser Stimme eine Geschichte vor den Rebellen ausbreitete, die zunehmend finsterer
und beunruhigender wurde. Und trotz aller Fremdartigkeit und
allem Entsetzen glaubten die Rebellen Reineke Bär jedes einzelne Wort. Er war schließlich der beste Freund aller Kinder
und dafür bekannt, niemals zu lügen.
Am Anfang gab es Shannons Welt, und es gab Sommerland.
Shannons frisch terraformierter Planet war von Anfang an als
ein ruhiger, friedlicher Ort geplant worden, ein Ort, der jedermanns Vorstellung vom Paradies entsprechen sollte – oder um
genau zu sein; den Vorstellungen, die Kinder vom Paradies
hatten. Es gab keine Wirtschaftsstruktur, kein eingeborenes
Leben, nichts, das Sommerland stören konnte. Sommerland
war ein Ort, wo es keine Pflichten gab und keine notwendigen
oder langweiligen Aufgaben. Nur Sommerland, und die Spielsachen, die hier lebten. Komplizierte Automaten, die einfachen
Programmierungen folgten und auf vertrauten, innig geliebten
Märchengestalten basierten, angefangen bei den ältesten, die
schon beinahe in das Reich der Legenden gehörten, bis hin zu
den modernsten, neuesten Marotten der Kinder des Imperiums.
Shannons Welt sollte eine friedliche Welt sein, wo Männer und
Frauen ihre Sorgen vergessen und wieder Kind sein konnten.
Ein Ort der sanften Therapie, der Erholung und Ruhe, wo Kinder aller Altersstufen spielten, lachten und schliefen und sicher
waren in dem Wissen, daß man sie liebte, sich um sie kümmerte und sie verhätschelte. Ein Ort der Sicherheit, zu dem nicht
einmal Schmerz oder Streß Zutritt hatten.
Sommerland. Der Traum eines einzelnen Mannes, der zum
Alptraum aller geworden war.
Sommerland war sehr gefragt. Weil es in der Natur des Experiments lag, war Sommerland von Anfang an nicht besonders
groß. Nur wenige tausend Besucher (oder besser: Patienten)
konnten gleichzeitig aufgenommen werden, und es gab immer
eine lange Warteliste. Sommerland hatte kein menschliches
Personal, nur die Spielzeuge, um nur ja den Eindruck von der
Sicherheit und Unschuld aus Kindertagen nicht zu trüben. Es
gab keinerlei hochentwickelte Technik bis auf die grundlegendsten Einrichtungen wie Nahrungserzeugung und Wetterkontrolle, und alles war hervorragend versteckt. Die Spielzeuge
hatten Befehl, schlechtes Benehmen zu verhindern und – falls
nötig – jeden Querulanten zu entfernen, um die Illusion nicht
über Gebühr zu strapazieren; doch sie mußten nur sehr selten
einschreiten. Und so wurden die Erwachsenen wieder zu Kindern, die lachten und spielten und glücklich und zufrieden waren.
Und dann kamen die abtrünnigen KIs von Shub.
Oder, genauer gesagt, ein Dutzend ihrer Furien. Metallene
Angriffsmaschinen in menschlicher Haut, durch deren Münder
die KIs sprachen und mit deren Armen sie handelten. Sie passierten die planetaren Verteidigungseinrichtungen von Shannons Welt, als wären sie überhaupt nicht vorhanden, und landeten mitten im unschuldigen Herzen von Sommerland. Die
Spielsachen sammelten sich um die Furien und waren ganz
fasziniert von den Neuankömmlingen, die weder Mensch noch
Maschine waren, aber auf gewisse Weise mehr als das eine
oder andere allein. Die Furien fingen willkürlich ein Dutzend
Spielsachen ein und nahmen sie mit an Bord ihres seltsamen
Schiffes. Dort statteten sie die Spielsachen mit einer höherer
Intelligenz aus und verwandelten sie von einfachen, programmierten Dienern in vollkommen selbständige, unabhängige
KIs. Die jetzt bewußt denkenden Spielsachen kehrten nach
Sommerland
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