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Todtstelzers Krieg

Todtstelzers Krieg

Titel: Todtstelzers Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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niemals gegenüber einem anderen Menschen zugeben
– mit Ausnahme von Kit Sommer-Eiland vielleicht. Schließlich
zählte im Grunde genommen nur eins: Die Festung und die
Welt, auf der sie stand, gehörten jetzt ihm, und wenn er erst
fertig war, würde sich kein Mensch mehr daran erinnern, daß
es jemals einen anderen Lord von Virimonde gegeben hatte.
    Sie hatten beinahe den Speisesaal erreicht, als der Steward
David abfing. David warf einen Blick auf den dicken Stapel
Papiere, die der Steward ihm entgegenstreckte, und stöhnte
laut. Er haßte Papierkram, und er hatte sichergestellt, daß der
Steward es wußte. Trotzdem bestand David darauf, die wirklich wichtigen Geschäfte selbst zu regeln. Der Steward mochte
sich mit Alltagskram herumschlagen; aber er würde auf gar
keinen Fall Entscheidungen treffen, die das rechtmäßige Privileg des Lords von Virimonde waren. David vertraute dem Steward nicht. Er hatte keinen Augenblick gezögert, sich gegen
Owen zu wenden, als die Eiserne Hexe Davids Cousin verbannt hatte, und ein Mann, der einen Todtsteltzer verraten hatte, würde auch einen zweiten verraten.
    Der Steward war eine langweilige Gestalt. Groß und dürr wie
eine Bohnenstange, grauhaarig, in grauen Anzügen und mit
einem grauen, leidenschaftslosen Gesicht. Seine Stimme war
stets ein respektvolles Murmeln, und seine Augen waren immer ehrfürchtig auf den Boden gerichtet; doch David wurde
das Gefühl nicht los, daß der Mann sich insgeheim über ihn
lustig machte. Er schien sich für nichts anderes zu interessieren
als für den laufenden Betrieb und die Verwaltung der Liegenschaften mitsamt der kostbaren, niemals enden wollenden Bürokratie, und manchmal erweckte er den Eindruck, als betrachte er die Festung insgeheim als sein Eigentum und die verschiedenen Todtsteltzer nur als Besucher. Todtsteltzer mögen
ja kommen und gehen, schien das Benehmen des Stewards auszudrücken, aber ich und meine Leute bleiben. Er knabberte
ununterbrochen an kleinen Brotstückchen ohne Butter und Belag, und er knackte laut mit den Fingerknöcheln, wenn man ihn
warten ließ. David verabscheute den Steward, doch er versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen. Er wußte, daß er die Festung ohne den Steward nicht leiten konnte .
    »Noch mehr Papiere?« fragte er resignierend. »Kann das
nicht bis nach dem Essen warten?«
»Ganz genau das sagten Euer Lordschaft auch schon beim
Frühstück«, erwiderte der Steward mit seiner ruhigen grauen
Stimme. Wie immer klang der Titel aus seinem Mund wie eine
Beleidigung. »Die verschiedenen Angelegenheiten sind, wenn
überhaupt, seit dem Frühstück noch dringlicher geworden. Ich
muß respektvoll insistieren, Euer Lordschaft …«
»Schon gut, schon gut«, unterbrach ihn David. »Wir haben
doch ein Büro direkt auf diesem Korridor, oder nicht? Gehen
wir dorthin. Und eins sage ich Euch: Diese Angelegenheiten
sind besser wirklich wichtig, oder ich lasse Euch das Tafelsilber nachzählen. Kit, du bleibst bei mir. Wenn ich leide, sollen
alle anderen das auch.«
»Ich würde mir dieses Schauspiel um nichts in der Welt entgehen lassen«, antwortete Kit Sommer-Eiland gelassen. »Ich
mag es, wie die Adern auf deiner Stirn anschwellen, wenn du
mit längeren Wörter kämpfst. Außerdem ist Leiden gut für den
Charakter. Hat man mir jedenfalls gesagt. Allerdings kann ich
es nicht aus eigener Erfahrung bestätigen, weil alle, die jemals
versucht haben, mich leiden zu lassen, tot und begraben sind,
manchmal auf mehrere Orte verteilt.«
David setzte sich in dem kleinen staubigen Büro hinter den
Schreibtisch und begann, die Papiere zu studieren. Manche
Arbeit war eben nicht zu vermeiden, wenn man nicht eines
Morgens aufwachen und überrascht feststellen wollte, daß das
Personal einem alles unter dem Hintern weg gestohlen hatte,
was man besaß. David empfand ein diebisches Vergnügen dabei, seine Unterschrift so unleserlich wie nur irgend möglich zu
gestalten. Genaugenommen hätte er jedes Dokument mit
Wachs und Familiensiegel stempeln müssen; aber Owen hatte
den Ring mitgenommen – die Pest an seinen Hals. David hatte
einen neuen Siegelring in Auftrag gegeben, doch er hatte sich
noch nicht endgültig für ein Design entschieden. Irgendwann
überflog er nur noch Papiere, um sicherzustellen, daß er nicht
sein eigenes Todesurteil unterschrieb. Zu viele eng bedruckte
Blätter ließen ihn schwindeln. Kit saß an der Seite und summte
leise vor sich hin. Der

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