Todtstelzers Krieg
ausdachte, die auf die Idee
gekommen waren, Flynn und ihn auf diese Weise nach Virimonde einzuschleusen.
Im Grunde genommen war es seine eigene Schuld. Nach den
Traumata und Tränen und der verdammt harten Arbeit der Berichterstattung von drei aufeinanderfolgenden Kriegsschauplätzen hatten Tobias und Flynn sich förmlich danach gesehnt, eine
Reportage von einem Ort zu liefern, wo man nicht unablässig
auf sie schoß. Und als der Rat der Untergrundbewegung ihnen
angeboten hatte, zu einer bäuerlichen Agrarwelt weitab vom
Geschehen, irgendwo im Hinterhof des Imperiums zu gehen,
da hatten Tobias und Flynn sich gegenseitig zu übertrumpfen
gesucht, wer am schnellsten Ja! rufen konnte. Der Auftrag war
den beiden wie ein Kinderspiel erschienen. Sie sollten eine
Studie des friedlichen ländlichen Lebens auf Virimonde abliefern, das von der wachsenden Mechanisierung der Nahrungsmittelproduktion bedroht war. Sie sollten dokumentieren, wie
jahrhundertealte Traditionen und der Lebensunterhalt hilfloser
Menschen durch die verantwortungslose Imperiale Verwaltung
zunichte gemacht wurden. Es war die Sorte Geschichte, die
Tobias und Flynn auf dem Kopf stehend und mit verbundenen
Augen hätten abliefern können, wären da nicht ein paar private
Vorbehalte gewesen. Nach Tobias’ Erfahrung tendierten lange
bestehende ländliche Kommunen zur Inzucht, sowohl was die
Menschen, als auch was ihre Vorstellungen anging. Das Ergebnis waren Gesellschaften, die sich jeder Veränderung widersetzten, egal ob zum Guten oder Schlechten, und Familien
mit weniger als der üblichen Anzahl Augen im Kopf, einem
völlig Verblödeten in ihrer Mitte und einem durchschnittlichen
Intelligenzquotienten, der in der Höhe der Zimmertemperatur –
wenn auch in Fahrenheit lag. Lieblingssportarten: Den Ochsen
des Nachbarn verführen, Katzen von hohen Dächern werfen,
um herauszufinden, ob sie tatsächlich auf allen vieren landeten
und Hexenverbrennungen – oder Journalisten, wenn keine Hexen zur Hand waren. Aber selbst unter Berücksichtigung all
dessen mußte Virimonde einfach besser sein als Technos III,
die Nebelwelt oder Hakeldamach. Also packte Flynn seine verführerischste Unterwäsche ein, und Tobias schmiedete Pläne
für ausgedehntes Faulenzen und so wenig Arbeit wie nur irgend möglich. Schließlich gingen sie an Bord des Schiffes nach
Virimonde. Tobias schwante in dem Augenblick zum ersten
Mal, daß die Dinge doch nicht so laufen würden wie geplant,
als der Kapitän sie beide mit hinunter in den Frachthangar
nahm und ihnen die große Holzkiste mit dem Aufdruck Maschinenteile zeigte.
Nach einer Ewigkeit in völliger Finsternis, unendlich vielen
gemurmelten Flüchen und der gelegentlichen Unsicherheit, wo
oben und wo unten war, landete das Frachtschiff schließlich
auf dem Raumhafen. Lange Zeit geschah gar nichts; dann wurde die Kiste ausgeladen und mit nach Tobias’ fester Überzeugung unnötig großer Wucht zu Boden gelassen. Dann wieder
nichts, bis auf das Geräusch des startenden Frachtschiffs. Tobias wartete nervös schwitzend im Dunkel. Nur wenig Licht
strömte durch die Ritzen in der Kiste. Sie wußten nicht, wo sie
landen würden, oder ob freundliche Helfer in der Nähe waren.
Sie konnten auch von einer ganzen Horde schwer bewaffneter
Zollbeamter ohne jeglichen Sinn für Humor umgeben sein.
Plötzlich wurden sie in ihrer Kiste durchgerüttelt, und Brechstangen attackierten den Deckel. Dann wurde es unvermittelt
hell, und grelles Sonnenlicht strömte herein . Tobias riß instinktiv die Hände vors Gesicht, um die tränenden Augen abzuschirmen. Schwielige Hände packten ihn grob, hoben ihn heraus
und stellten ihn auf die Beine. Tobias öffnete vorsichtig die
Augen und blickte in ein freundlich grinsendes Gesicht. Er
hätte es küssen mögen; doch er tat es nicht. Er wollte nicht, daß
Flynn auf dumme Gedanken kam.
Auf Virimonde herrschte früher Abend, und zwischen den
dunkler werdenden Wolken leuchtete der Himmel in intensivem Rot. Die Dämmerung näherte sich rasch, und in der kühlen Luft hing ein erwartungsvolles Schweigen. Tobias und
Flynn gingen draußen vor dem Farmhaus der Dakers auf und
ab und bemühten sich, die verkrampften Muskeln in Rücken
und Beinen wieder ein wenig zu entspannen. Die Luft roch
wundervoll klar und unverschmutzt, wenn man von dem reichhaltigen Aroma des Dungs der verschiedenen Arten von Nutzvieh absah, das auf dem Hof gehalten wurde.
Das Haus war ein großes,
Weitere Kostenlose Bücher