Todtstelzers Krieg
»Das wäre unmenschlich.«
Er zog das Messer und stieß es ihr durchs Auge. Er wollte,
daß es schnell ging. Jenny bäumte sich kurz auf und lag still.
Kit zog das Messer wieder heraus, steckte es ein und ging zum
Notausgang. Er hatte alles getan, was er tun konnte. Er sprang
aus der Luke und eilte über das kurze ungedeckte Stück Feld,
um zwischen den Bäumen Deckung zu suchen. Sie würden ihn
zwar nicht vor Disruptorfeuer schützen; aber sie würden die
Sensoren täuschen. Er mußte David finden. David würde wissen, was als nächstes zu tun war.
Er fand seinen Freund ein kurzes Stück tiefer im Wald. Er
kauerte neben Alice am Boden. Er hatte sie an einen Baumstumpf gelehnt und war damit beschäftigt, die heraushängenden Eingeweide durch die klaffende Wunde in ihrer Seite zurückzuschieben. Seine Hände waren rot vor Blut und seine
Kleidung an jenen Stellen damit vollgesogen, wo er Alice an
sich gedrückt hatte. Er sah hoch, als Kit sich näherte. David
weinte, und die Tränen zogen schmale Spuren durch das Blut,
das ihm aus einer Wunde in der Stirn übers Gesicht rann.
»Sie ist tot«, sagte er zu Kit, und in seiner Stimme lag aller
Schmerz der Welt. »Sie hat mir ihr Leben anvertraut, und ich
habe sie im Stich gelassen. Ganz genau so, wie ich auch jeden
anderen im Stich gelassen habe.«
»Es tut mir leid«, sagte Kit.
»Ich bin schuld an ihrem Tod, weißt du? Sie ist tot, weil sie
bei mir war.«
»Mach dir keinen Vorwurf deswegen«, entgegnete Kit. Davids Tränen verwirrten ihn. Er wußte nicht, was er dagegen
unternehmen sollte. »Sie töten jeden auf dieser Welt. Du hast
versucht, Alice zu retten. Du hast getan, was du tun konntest.
Du hast dein Bestes gegeben.«
David nickte zögernd. Er war nicht überzeugt. Er wischte
sich mit dem Handrücken das Blut und die Tränen aus dem
Gesicht, schniefte ein paarmal und sah dann wieder hoch zu
seinem Freund.
»Wo ist Jenny?«
»Tot. Sie starb an ihren Wunden, während ich versuchte, sie
zu befreien.« Normalerweise hätte sich Kit nicht die Mühe gemacht zu lügen, aber er wollte seinen Freund nicht noch mehr
aus der Fassung bringen. Er sah sich um. »Weißt du, wo wir
sind?«
»Ja. Ich kenne die Gegend. Die Festung liegt keine fünf Minuten zu Fuß von hier. Auf der anderen Seite des Waldes. Wir
hätten es fast geschafft, Kit! Wir waren so nah. Nur noch ein
paar Minuten, und wir wären in Sicherheit gewesen. Wir alle.«
Kit kniete neben David nieder. »Das ist alles das Werk der
Löwenstein. Sie allein trägt die Schuld. Und jetzt laß uns von
hier verschwinden. Sie werden bald kommen und nach uns
suchen.«
David nickte und stand auf. Kit stellte sich neben ihn. David
sah auf Alice hinab. »Ich hasse den Gedanken, sie hier liegen
zu lassen.«
»Sie ist tot, David. Sie hat keine Schmerzen mehr. Wir werden sie später rächen.«
»Ja. Wir werden sie rächen. Später.«
David wandte sich ab und stapfte los, tiefer in den Wald hinein, und Kit folgte ihm. Es war kühl und still unter den großen
Bäumen, ein dunkler, geheimnisvoller Ort, der irgendwie weitab vom Rest der Welt zu liegen schien. Das Chaos war noch
nicht bis hierher vorgedrungen. Die Luft war voll vom Geruch
nach Gras und Humus und lebenden Dingen. Kit ging neben
David einher, und er genoß die Ruhe und den Gesang der Vögel. David marschierte brütend und mit dunklen Augen über
den schmalen Waldweg. Der Frieden ringsum erreichte ihn
nicht. Kit überlegte ununterbrochen, was er zu seinem Freund
sagen konnte, doch ihm wollte nichts einfallen.
Er hatte keine Erfahrung in diesen Dingen. Also stapfte er
schweigend neben David her, die Hände auf den Waffen, und
überließ den Freund seinen Gedanken. David würde früher
oder später irgend etwas einfallen. Ihm war noch immer irgend
etwas eingefallen.
Kit war von Natur aus wachsam und mißtrauisch; doch er
bemerkte erst, daß sich nicht mehr allein im Wald unterwegs
waren, als drei Gestalten ihnen den Weg versperrten. Eine der
Gestalten trug die Uniform eines Imperialen Sternenflottenkapitäns, die zweite war offensichtlich ein Investigator, und die
dritte stand ein Stück zurück und hielt einen Disruptor in der
Hand, allerdings nicht auf David und Kit gerichtet. Die beiden
Freunde blieben unvermittelt stehen, und für eine lange Zeit
geschah überhaupt nichts. Alle standen einfach nur da und musterten ihre Gegenüber. Die Wälder waren wie eine einzige
große grüne Arena, ein Ort, an dem Schicksale
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