Todtstelzers Schicksal
möchten uns in diesem Moment
genau dort sehen.«
»Wieso uns?«, wollte Toby wissen. »Wir haben jede Menge
Reporter, die sich darum kümmern könnten.«
»Ohnesorg hat uns persönlich eingeladen«, erklärte Flynn.
»Hat gesagt, wir würden das bestimmt um keinen Preis versäumen wollen.«
»Wie viel Zeit haben wir?«, fragte Toby und erhob sich
schwankend.
‘»Vielleicht eine halbe Stunde. Ich habe einen startbereiten
Flieger unten stehen. Praktisch alle, die Ohnesorg eingeladen
hat, werden erscheinen. Politiker, Vertreter der Familien, einfach alle. Das wird eine wirklich große Sache, Toby; ich spüre
es in meinem Urin.«
»Na ja, versuche ihn zu halten, bis wir dort sind. Jakob Ohnesorg ist genau der, den ich jetzt sprechen muss. Ich bin selbst
auf eine ganz große Sache gestoßen, und er könnte durchaus
der einzige Mensch sein, der weiß, was am besten zu tun ist.
Los, Flynn; ich habe das scheußliche Gefühl, dass für alle von
uns die Zeit knapp wird!«
Kardinal Brendan sah sich in Kit Sommer-Eilands Hotelzimmer um und gab sich Mühe, nicht zu sehr die Lippen zu kräuseln. Der Sommer-Eiland lebte jetzt gerade seit ein oder zwei
Wochen hier, aber der Raum ähnelte schon einer Müllkippe.
Obwohl das womöglich gar kein so weiter Weg gewesen war,
bedachte man, in welcher Gegend der Stadt das Hotel lag, nämlich einer, die eindeutig zu den stärker heruntergekommenen
Bezirken gehörte. Das Mobiliar war schlicht, die Farbgebung
einfach nur deprimierend und das einzige Fenster fest verschlossen, damit sich der Gast nicht nachts im Mondenschein
einfach aus dem Staub machte, ohne die Rechnung zu begleichen. Überall standen Teller mit Essensresten und halb beendete Mahlzeiten herum, zusammen mit etlichen leeren Flaschen
und Gläsern. Und betrachtete man den entsetzlichen Zustand
des Teppichs, dann war im Verlauf der Zeit zweifellos einiges
verschüttet worden. Das Bett, auf dem der Sommer-Eiland lag,
schien seit seinem Einzug nicht gemacht worden zu sein;
Schwertgurt und Halfter hingen offen am Kopfende, sodass er
die Waffen innerhalb eines Augenblicks griffbereit hatte. Die
Tür, die Brendan gerade hinter sich geschlossen hatte, war mit
aufgesplitterten Löchern übersät, da sie dem Sommer-Eiland
für Übungen mit den Wurfmessern gedient hatte.
Ein alter Fleck getrockneten Blutes zeigte sich nahe der Tür
auf dem Teppich. Vielleicht war jemand dumm genug gewesen
und eingetreten, um sich über den Lärm zu beschweren.
Brendan zog einen Stuhl heran, wischte ihn gründlich sauber
und nahm gegenüber dem Sommer-Eiland Platz. Er arrangierte
ordentlich seine Robe und lächelte fröhlich, darauf konzentriert, völlig ruhig und entspannt zu wirken. Es war wichtig,
Kid Death nie das Gefühl zu geben, er hätte die Oberhand, nur
weil er ein kalter, einschüchternd wirkender Scheißkerl war.
»Also«, begann der Kardinal kühl. »Darf ich folgern, dass die
ausgedehnte Totenwache für David Todtsteltzer vorüber ist
und Ihr jetzt bereit seid, ernsthafte Arbeit für uns zu leisten?«
»Ich bin immer für ein wenig ernsthafte Arbeit bereit«, erklärte Kit Sommer-Eiland. Er gönnte dem Kardinal keinen
Blick und starrte lieber an die Decke. »Solange es darum geht,
jemanden zu töten. Und ja, die Totenwache ist abgeschlossen.
Es war wichtig, David einen guten Abschied zu bieten. Er hat
sich so wenig gewünscht und nicht einmal das erhalten. Macht
es Euch auf Eurem Stuhl nicht zu bequem, Kardinal. Ihr gehörtet zu den Kräften, die seinen Sturz herbeigeführt haben.«
Der Kardinal breitete die Hände aus. »Ich versichere Euch,
dass es rein geschäftlich war. Nichts Persönliches.«
»Er war mein Freund.«
Der Blick des Sommer-Eilands ging düster in die Ferne.
Brendan war über die meisten Einzelheiten von Kid Deaths
ausgedehnter Totenwache im Bilde. Viel davon hatte es in die
Abendnachrichten geschafft, Bilder davon, wie er sich durch
eine endlose Reihe von Bars und Kneipen soff und prügelte.
Niemand hatte ihn aufzuhalten oder zu verhaften oder auch nur
aufzufordern versucht, er möge seine Rechnungen begleichen.
Schließlich war er Kid Death, der lächelnde Meuchelmörder.
Angelockt von der Aussicht auf kostenlosen Alkohol waren
stets reichlich Leute da, die mit ihm tranken und zechten, und
falls einige von ihnen mal das Falsche sagten und auf der
Schwertklinge des Sommer-Eilands aufgespießt wurden, nun,
so gehörte schließlich keiner von ihnen zu einem
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