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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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Ross hat ihr einen Eimer Popcorn für sie ganz allein versprochen, und dazu noch Gummibärchen«, teilte sie mir mit und lächelte.
    »Tim hat mir heute morgen das Frühstück ans Bett gebracht«, sagte ich. »Zum Fast-Muttertag.«
    »Gibt es was Neues in Sachen Adoption?«
    »Du meinst seit vorgestern, als du mich das letzte Mal danach gefragt hast?«
    Claire warf mir einen ihrer missbilligenden Blicke zu. »Kein Grund, sarkastisch zu werden.«
    Eine halbe Stunde später kroch Claire im Schneckentempo durch das schmiedeeiserne Tor zum Friedhof Oak Creek. Am Muttertag waren hier immer viele Leute unterwegs. Meine Schwester und ich ließen beide einen Stoßseufzer los, sahen uns in die Augen, und auf ein gemeinsames »Fertig, los!« öffneten wir die Wagentür. Claire schnappte sich den Strauß undich die eingetopften Narzissen, eine kleine Schaufel, Gartenhandschuhe und eine Flasche Wasser.
    Wir schlenderten den Hügel zum Grab unserer Mutter hoch. Ihre Grabstätte lag ganz oben am Gipfel dieses sehr gepflegten Hügels und bot eine beeindruckende Aussicht – sofern das überhaupt noch eine Rolle spielte, wenn man tot und begraben war. Claire stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und genoss einen Moment die schöne Aussicht. Dann bückte sie sich und riss etwas Unkraut aus.
    »Wo willst du die denn haben?«, fragte ich und hob die Schale mit den Narzissen hoch.
    »Ich würde sagen, auf jeder Seite des Grabsteins die gleiche Menge, was meinst du?«
    Claire liebte es, Sätze mit einem »Was meinst du?« zu beenden, obwohl klar war, dass sie die Entscheidung schon längst getroffen hatte.
    Ich ließ mich auf die Knie fallen.
Claire zog einen Spüllappen aus ihrer Tasche hervor, goss etwas Wasser darauf und wischte damit die Spinnennetze, den Schmutz und Ruß von Moms Grabstein, die sich seit unserem letzten Besuch dort angesammelt hatten.
    Wann waren wir das letzte Mal hier?,
fragte ich mich.
Haben wir es Weihnachten vergessen?
    »Weißt du noch, wann wir das letzte Mal hier waren?«
    Claire sah von dem Grabstein hoch, hielt sich die Hand vor das Gesicht und meinte: »Ich war Weihnachten da, aber ich glaube nicht, dass du dabei warst.«
    »Was meinst du damit, du glaubst nicht …?«
    »Schon gut, ich weiß, du warst nicht mit dabei.«
    »Warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du hinfährst?«
    »Hab ich doch«, sagte Claire.
    Und mit einem Mal erinnerte ich mich an ihren Anruf. Ich hatte mich den ganzen Tag über im Bett verkrochen, nachdem es in jenem Monat wieder einmal nicht geklappt hatte.
    »Deshalb war ich allein hier.« Claire putzte weiter an dem Grabstein herum und kämpfte gegen einen hartnäckigen Moosflecken an.
    »Wie nett von dir, Claire.« Eigentlich sollten meine Worte so verletzend sein wie Dolche, aber sie prallten an ihr ab wie ein Gummiball.
    »Was soll‘s«, sagte Claire. »Jetzt sind wir doch da. Dann fang doch mal an und pflanz die Narzissen ein.«
    »Weißt du noch, wie Mom Weihnachten immer drauf war?«, fragte ich sie und eine Erinnerung durchströmte mich so warm wie ein Schluck heißer Kakao.
    »Du meinst den Wirbel, den sie immer um die Geschenke veranstaltet hat?« Claire lächelte und ihr Gesicht wurde ganz weich und erinnerte an Mauras kindliche Unschuld – den Bruchteil einer Sekunde ließ sie zu, dass ich erahnen konnte, wie sie als Kind ausgesehen haben musste, doch dann hatte sie ihr Erwachsenenleben schon wieder fest im Griff.
    »Sie war Weihnachten immer völlig aufgedreht«, sagte ich.
    »Niemand durfte auch nur in die Nähe des Baums kommen. Und sie war mindestens genauso aufgeregt wie wir. Und jedes Mal schwor sie, dass wir mit den Geschenken bis Weihnachten warten müssten, aber je näher das Datum rückte, umso nachgiebiger wurde sie. ›Also gut, eines dürft ihr aufmachen!‹ Bis Weihnachten hatten wir dann schon ein gutes Dutzend Geschenke ausgepackt.«
    »Weißt du noch, was es Heiligabend zu essen gab?«
    »Ja, klar. Wir sind immer in dieses kleine französische Bistro gegangen.«
    »Erst nach Moms Tod«, korrigierte ich sie. »Da sind wir beide immer hin. Ich rede davon, was es gab, als wir noch klein waren und eine richtige Familie. Jedes Jahr das Gleiche: chinesisches Essen. Ich habe es gehasst. Kannst du dich jetzt erinnern?«
    »Stimmt, ja.« Claire nickte, schien sich allmählich wieder zu erinnern. »Und Dad ist vorher immer zu McDonald’s gefahren und hat dir einen Cheeseburger besorgt.«
    »Genau, und eine Packung Kekse. Und Mom hat gesagt, ich

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