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Töchter auf Zeit

Töchter auf Zeit

Titel: Töchter auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Handford
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seit mehrals zwanzig Jahren erlebt habe. Ich will verflucht sein, wenn ich das wieder vermassle.«
    Ich erwiderte seinen Blick und nickte. »Gut. Bis dann.«
    Auch er nickte und dann sahen wir uns gefühlte Stunden in die Augen. »Okay, bis dann.« Sprach‘s, drehte sich um und ging weg.
    Sobald Larry außer Sichtweite war, drückte ich mit beiden Fäusten auf meine Augen, weil ich irgendwie die Tränenflut zurückhalten musste. Ich holte tief Luft und rief dann mit meiner fröhlichsten Stimme: »Maura? Kommst du?«
    »Weißt du was, Tante Helen?« Maura saß am Ufer und zupfte sich Schmutz und Grashalme von ihren Hosen. »Kleine Fische sind Babyfische, und Kaulquappen sind Babyfrösche.«
    Ihre süße Unschuld traf mich mitten ins Herz. Ich wusste nur zu gut, dass sie sie nicht bewahren könnte, wenn ihre Mutter gegen den Krebs ankämpfen musste. Maura würde schon bald kein normales fünfjähriges Kind mehr sein können, das war so sicher, wie Reiskörner im Salzfass Flüssigkeit aufnehmen.
    Als wir wieder zu Hause waren, wechselte ich Sams Windeln und zog Mauras nasse Sachen aus. Dann schaltete ich den Kinderkanal ein, brachte Sam in ihren Laufstall und setzte Teewasser auf. Ich sah auf die Uhr und fragte mich, wann Ross endlich anrufen würde. Ich checkte mein Handy, unser normales Telefon zu Hause und meine E-Mails. Keine Nachricht.
    Tim hatte mir eine Tomaten-Basilikum-Suppe vorbeigebracht, die ich jetzt wärmte, gleichzeitig überbackte ich ein paar Käsesandwichs. Maura und ich verdrückten sie, während Sam schlief. Maura hatte noch den letzten Bissen im Mund und rannte schon zurück zum Fernseher, als das Telefon läutete.
    Es war Ross, der schlechte Nachrichten hatte. Nicht nur der rechte Eierstock, sondern auch der Eileiter war vom Krebs betroffen. Dem Chirurg blieb nichts anderes übrig, als einevollständige Hysterektomie durchzuführen, ihr also auch die Gebärmutter zu entfernen.
    »Weiß sie es schon?«, fragte ich nach und hielt mich am Tisch fest. Das Zimmer schien sich um die eigene Achse zu drehen.
    »Noch nicht«, antwortete er mit heiserer Stimme. »Sie ist noch ganz benommen. Frühestens in zwei Stunden ist sie wieder okay.«
    Ich atmete tief ein und ganz langsam wieder aus. »Sie schafft das.« Ich hoffte sehr, dass meine Worte optimistisch klangen.
    »Das kannst du nicht wissen«, meinte Ross mit kaum hörbarer Stimme. »Deine Mutter hat es auch nicht geschafft.«
    »Das ist schon so lange her«, begann ich ihn zu beruhigen. »Seitdem hat die Medizin große Fortschritte gemacht.«
    »Wie übersteht man diese Hölle?« Jetzt hörte ich sein trockenes, fast schon unnatürliches Schluchzen.
    »Indem man sich der Realität stellt«, sagte ich in dem Bewusstsein, dass ich jetzt stark sein musste. Stark für Ross. Und für Maura. Und bald auch für Claire. »So sieht unser Leben nun mal jetzt aus. Wir schaffen das.« Ich klang wie Claire, anscheinend hatte ich mir etwas von ihrem unerschütterlichen Willen, sich niemals unterkriegen zu lassen, abgekupfert. Doch tief in mir stellte sich mir dieselbe Frage wie Ross:
Wie zum Teufel sollen wir das überstehen?
    »Das Leben ist furchtbar.«
    »Ich weiß, Ross.« Dann gab es eine lange Pause, in der keiner von uns etwas sagte. Ich konnte aber hören, wie Ross seine Tränen hinunterschluckte, nach Luft schnappte und seinen Zorn ausatmete.
    »Mein Dad ist an einem Herzinfarkt gestorben, als ich fünf war«, sagte Ross dann.
    »Ich weiß«, antwortete ich und nickte, weil ich an das Foto auf Marthas Kaminsims denken musste: ihr Mann, jung, braungebrannt, in Badehosen, rechts und links von ihm seine beiden anderen Söhne und Ross in seinen Armen.
    »Meine Mom hat mich und meine Brüder ganz allein großgezogen«, vertraute er mir an. »Kannst du dir vorstellen, was das für ein Stress war?«
    »Deine Mom ist bewundernswert«, sagte ich und stellte mir Martha als junge Witwe vor – mit drei kleinen Jungs.
    »Ich kann mich kaum an meinen Dad erinnern.«
    »Natürlich nicht. Mit fünf warst du noch so klein.«
    »Maura ist noch keine fünf.«
    »Ich weiß, Ross«, brachte ich noch heraus, bevor mir die Stimme versagte. Was er damit sagen wollte, wog schwer. Maura – ohne Claire und ohne sich an sie zu erinnern.
    »Sag Maura, dass ich sie lieb habe. Und Claire hat sie auch lieb.«
    »Mach ich«, versprach ich. »Pass gut auf Claire auf und ruf mich später noch mal an.«
    Bevor ich Tim anrief, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen, trank ich meinen

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