Toechter Aus Shanghai
Erstgeborenen. Und was mich angeht - ich mag nicht mehr weglaufen. Ich kann das nicht sehr gut, und ich habe ein kleines Kind, um das ich mich kümmern muss. Aber verkaufen wir uns für weniger, als der Alte Herr bereits für uns bezahlt hat?
»Wenn wir bleiben, musst du uns mehr Freiheit zugestehen«, sagt Sam.
»Wir verhandeln hier nicht«, erwidert der Alte Herr. »Ihr habt nichts zu bieten.«
Doch Sam gibt nicht klein bei. »May arbeitet schon als Komparsin. Sie ist glücklich damit. Du musst ihrer Schwester das Gleiche erlauben. Lass Pearl sehen, was außerhalb von China City ist. Und wenn ich nicht mehr im Tempel arbeiten soll, dann
musst du mich bezahlen. Wenn ich dein erstgeborener Sohn sein soll, musst du mich genauso behandeln wie meinen Bruder...«
»Ihr beide seid unterschiedlich...«
»Das ist richtig. Ich arbeite viel härter als er. Er bekommt Geld aus der Familienkasse. Ich will auch bezahlt werden. Vater«, fügt Sam respektvoll hinzu, »du weißt, dass es sich so gehört.«
Der Alte Herr klopft mit den Fingerknöcheln auf den Tisch und grübelt. Schließlich pocht er ein letztes Mal fest darauf und erhebt sich. Er streckt die Hand aus und drückt Sam die Schulter. Dann geht er zu seinem Gebäck, dem Tee und den Freunden zurück.
Am nächsten Tag kaufe ich mir eine Zeitung, streiche eine Annonce an und gehe zum öffentlichen Telefon. Von dort aus rufe ich bei einer Reparaturwerkstatt für Kühlschränke an, die eine Sekretärin sucht.
»Das hört sich alles sehr gut an, Mrs. Louie«, sagt eine freundliche Stimme am Telefon. »Kommen Sie doch zu einem Bewerbungsgespräch vorbei.«
Doch als ich mich dort vorstelle und der Mann mich sieht, sagt er: »Ich wusste nicht, dass Sie Chinesin sind. Ich hatte Sie für eine Italienerin gehalten, wegen des Namens.«
Die Stelle bekomme ich nicht und auch viele andere nicht. Schließlich bewerbe ich mich im Bullock’s Wilshire Department Store. Ich erhalte eine Anstellung im Lager, wo mich niemand sieht. Ich verdiene achtzehn Dollar die Woche. Nachdem ich in China City tagsüber vom Café aus zu den diversen Läden wandern musste, bleibe ich ganz gern an einem Ort. Ich bin besser gekleidet als die anderen Lagerarbeiter, und ich arbeite härter. Eines Tages schickt mich der stellvertretende Geschäftsführer in den zugehörigen Laden, wo ich Ware einsortiere und Ordnung halte. Nach zwei Monaten - er ist fasziniert von meinem britischen Akzent, den ich spreche, weil er meinem amerikanischen Chef zu gefallen scheint - befördert er mich zur Fahrstuhlführerin. Eine einfachere, anspruchslosere Arbeit kann es kaum
geben - von zehn Uhr morgens bis sechs Uhr abends geht es nur auf und ab -, und ich verdiene monatlich ein paar Dollar mehr.
Dann kommt dem stellvertetenden Geschäftsführer eine neue Idee. »Wir haben gerade eine Lieferung Mah-Jongg-Sets erhalten«, sagt er. »Sie können mir beim Verkauf helfen. Sie vermitteln Atmosphäre.«
Ich muss in einen billigen cheongsam schlüpfen, den der Spielehersteller mitgeliefert hat, dann führt mich der zweite Geschäftsführer ins Erdgeschoss und zeigt mir einen Tisch beim Haupteingang - meinen Tisch. Am späten Nachmittag habe ich acht Sets verkauft. Am nächsten Tag trage ich zur Arbeit einen meiner schönsten cheongsams - leuchtend rot mit aufgestickten Pfingstrosen. Ich verkaufe zwei Dutzend Mah-Jongg-Sets. Als Kunden den Wunsch äußern, das Spiel zu erlernen, schlägt mir der stellvertretende Geschäftsführer vor, einmal wöchentlich einen Kurs zu geben - gegen Gebühr, von der ich einen prozentualen Anteil erhalte. Ich mache das so gut, dass ich den stellvertretenden Geschäftsführer bitte, mich eine schriftliche Prüfung für eine weitere Beförderung ablegen zu lassen. Als mir sein Chef wegen meiner chinesischen Haare, Hautfarbe und Augen schlechtere Noten gibt, ist mir klar, dass ich bei Bullock’s nicht mehr weiterkomme, auch wenn ich mehr Mah-Jongg-Sets verkaufe als die anderen Mädchen Handschuhe oder Hüte.
Aber was soll ich tun? Momentan bin ich zufrieden mit dem Geld, das ich verdiene. Ein Drittel zahle ich in die Familienkasse von Vater Louie, so nennen wir ihn jetzt, seit er und Sam ihre Vereinbarung getroffen haben. Ein Drittel lege ich für Joy beiseite. Und ein Drittel kann ich ausgeben, wie ich möchte.
Sechs Monate nach dem Brand, am 2. August 1939, feiert China City seine zweite große Eröffnung, mit Oper, Drachenumzug, Löwentanz, Zauberern, Teufelstänzern und einem sorgsam
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