Toechter Aus Shanghai
Ansprüche bescheiden bleiben, könnte es wohl für etwas Kleines reichen.
Doch es ist nicht so einfach, wie Onkel Fred glaubt. Ich sehe mich in Crenshaw um, wo mir gesagt wird, wir könnten nur südlich vom Jefferson Boulevard etwas kaufen. Ich versuche es in Culver City, doch der Immobilienmakler dort will mir nicht mal die Häuser zeigen. Ich finde ein Haus in Lakewood, das mir gefällt, aber die Nachbarn sammeln Unterschriften, weil sie keine Chinesen wollen. Ich fahre nach Pacific Palisades, doch in den Grundstücksnutzungsrechten steht immer noch, an Menschen äthiopischer oder mongolischer Abstammung dürften keine Häuser verkauft werden. Ich höre unzählige Ausreden: »Wir vermieten
nicht an Orientalen.« »Wir verkaufen nicht an Asiaten.« »Ihnen als Asiaten wird das Haus nicht gefallen.« Und der altbewährte Spruch: »Am Telefon dachten wir, Sie wären Italienerin.«
Onkel Fred - der im Krieg war und Tapferkeitsmedaillen bekommen hat - fordert uns auf, nicht alles hinzunehmen, aber Sam und ich gehören nicht zu den Menschen, die sich beschweren, weil sie ausgeraubt, geschlagen oder diskriminiert worden sind. Die einzige Möglichkeit für uns, ein Haus außerhalb von Chinatown zu kaufen, besteht darin, einen Verkäufer zu finden, der sich in einer so verzweifelten Lage befindet, dass es ihm egal ist, wenn er seine Nachbarn vor den Kopf stößt, doch inzwischen habe ich Bedenken gegen den Umzug als solchen. Vielleicht sind es auch gar keine Bedenken: ich habe bereits im Voraus Heimweh. Wie soll ich aufgeben, was wir uns in Chinatown aufgebaut haben, nachdem ich schon Shanghai hinter mir lassen musste?
Ich tue alles, damit mein Baby auf chinesische Art heranwächst. Ich habe die Sorgen jeder werdenden Mutter, doch zusätzlich ist mir bewusst, dass die natürliche Umgebung meines Kindes einmal verletzt und fast zerstört wurde. Ich gehe zum Kräuterheiler, der sich meine Zunge ansieht, die Pulsschläge an meinem Handgelenk fühlt und mir An Tai Yin verschreibt - Nahrung für einen friedlichen Fötus. Außerdem verordnet er mir Shou Tai Wan - Pillen für die Langlebigkeit des Fötus. Ich gebe keinem Fremden mehr die Hand, weil Mama einmal einer Nachbarin erzählt hat, dadurch würde ein Kind mit sechs Fingern geboren. Als May mir eine Kampfertruhe für die von mir gefertigten Babysachen kauft, erinnere ich mich an Mamas Überzeugungen und nehme die Truhe nicht an, weil sie einem Sarg gleicht. Ich beginne meine Träume zu hinterfragen, rufe mir in Erinnerung, was Mama darüber sagte: Träumt man von Schuhen, steht Pech ins Haus, träumt man von ausfallenden Zähnen, stirbt jemand aus der Familie. Und wenn man von Kot träumt, hat man großen Ärger vor sich. Jeden Morgen massiere ich mir den Bauch, glücklich, dass
meine Träume nicht von diesen schlechten Vorzeichen heimgesucht wurden.
Während der Feierlichkeiten zum Neuen Jahr suche ich einen Astrologen auf, der mir sagt, mein Sohn werde im Jahr des Ochsen geboren, genau wie sein Vater. »Ihr Sohn wird das allerreinste Herz haben. Er wird voller Unschuld und Redlichkeit sein. Er wird stark sein und niemals jammern oder klagen.« Jeden Tag, wenn die Touristen China City verlassen haben, gehe ich zum Tempel der Kwan Yin und opfere etwas, damit das Baby gedeiht. Als Kalendermädchen sah ich auf die Mütter herab, die zu den Tempeln in der chinesischen Altstadt gingen, doch jetzt, da ich älter bin, wird mir klar, dass die Gesundheit meines Kindes wichtiger ist als mädchenhafte Vorstellungen von Modernität.
Andererseits bin ich aber auch nicht dumm. Egal, was kommt - ich werde eine amerikanische Mutter sein, deshalb gehe ich auch zu einem amerikanischen Arzt. Es gefällt mir immer noch nicht, dass sich westliche Ärzte weiß anziehen und ihre Praxisräume weiß streichen - die Farbe des Todes -, aber ich akzeptiere es, weil ich für mein Baby alles tun würde. Dazu gehört auch, mich vom Arzt untersuchen zu lassen. Die einzigen Männer, die mich dort je berührt haben, sind mein Mann, die Ärzte, die mich in Hangchow wieder zusammennähten, und die Männer, die mich vergewaltigten. Es ist mir unangenehm, dass dieser Mann dort unten herumtastet und in mich hineinguckt . Und mir gefällt ganz und gar nicht, was er dann sagt. »Mrs. Louie, Sie können von Glück sagen, wenn Sie dieses Baby bis zum Termin austragen können.«
Sam versteht das Risiko und spricht leise mit jedem einzelnen Familienmitglied, um es zu warnen. Umgehend verbietet Yen-yen mir
Weitere Kostenlose Bücher