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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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zum Essen an den Tisch. Meine Familie pickt mit den Stäbchen nach den besten Stückchen und lässt sie in meine Schale fallen. Alle haben gute Ratschläge. Und überraschenderweise sind alle der Meinung, dass wir uns nach einem Haus umsehen sollten, in dem der Louie-Enkel aufwächst. May hatte recht. Vater bietet uns nicht nur seine Hilfe an, sondern sagt, er würde die Hälfte dazuzahlen, solange sein Name ebenfalls in der Besitzurkunde stünde.
    »Immer mehr Eheleute wohnen nicht bei ihren Schwiegereltern«, sagt er. »Es macht einen komischen Eindruck, wenn ihr kein eigenes Haus habt.« (Nach zehn Jahren hat er keine Angst mehr, dass wir davonlaufen könnten. Wir sind jetzt seine Familie, so wie er und Yen-yen zu uns gehören.)
    »Diese Wohnung - zu viel schlechte Luft«, sagt Yen-yen. »Der Junge braucht ein Haus, wo er draußen spielen kann, nicht in einer Gasse.« (Die bei Joy nie gestört hat.)
    »Hoffentlich haben wir da Platz für ein Pony«, sagt Joy. (Sie bekommt kein Pony, auch wenn sie noch so gerne ein Cowgirl sein möchte.)
    »Seitdem der Krieg vorbei ist, hat sich alles geändert«, mischt sich Onkel Wilburt ein, für seine Verhältnisse sehr optimistisch.
»Man darf zum Schwimmen in den Bimini Pool gehen. Im Kino kann man sitzen, wo man will. Wenn man will, kann man sogar eine lo fan heiraten.«
    »Aber wer will das schon?«, sagt Onkel Charley. (Viele Gesetze wurden geändert, doch das bedeutet nicht, dass auch die Menschen - Amerikaner wie Asiaten - ihre Einstellung geändert hätten.)
    Joy langt mit den Essstäbchen über den Tisch, will ein Stück Schweinefleisch nehmen. Ihre Großmutter gibt ihr einen Klaps auf die Hand. »Man isst nur etwas aus der Schale, die vor einem steht!« Joy zieht die Hand zurück, und Sam taucht seine Stäbchen in die Schüssel mit dem Schweinfleisch und lädt einige Brocken in die Schale seiner Tochter. Er ist ein Mann - bald der Vater eines wertvollen Enkels -, Yen-yen wird sein Verhalten nicht tadeln. Aber später wird sie Joy einen Vortrag halten, dass man tugendhaft, anmutig, liebenswürdig, höflich und folgsam sein soll, was unter anderem bedeutet, dass man Nähen und Sticken lernt, sich um das Haus kümmert und seine Essstäbchen richtig benutzt. Und all das predigt eine Frau, die diese Dinge selbst kaum beherrscht.
    »Uns haben sich viele Türen geöffnet«, sagt Onkel Fred. Er kehrte mit einem Kästchen voller Medaillen aus dem Krieg zurück. Sein Englisch, das schon vorher ziemlich gut gewesen war, verbesserte sich in der Armee, doch mit uns spricht er immer noch Sze Yup. Wir dachten, er würde wieder nach China City kommen und im Golden Dragon Café arbeiten, aber dem ist nicht so. »Schaut mich an! Die Regierung unterstützt mich bei der Ausbildung und der Unterkunft.« Er hebt sein Bier. »Danke, Onkel Sam, dass du mir hilfst, Zahnarzt zu werden!« Er trinkt einen Schluck und fügt hinzu: »Der Oberste Gerichtshof sagt, wir können wohnen, wo wir wollen. Und, wo wollt ihr hinziehen?«
    Sam fährt sich mit der Hand durchs Haar und kratzt sich im Nacken. »Wo auch immer sie uns nehmen. Ich werde nirgends wohnen, wo man uns nicht will.«

    »Da mach dir mal keine Sorgen«, sagt Onkel Fred. »Die lo fan sind uns gegenüber jetzt offener. Viele haben gedient. Sie haben Leute wie uns kennengelernt und mit ihnen zusammen gekämpft. Du wirst willkommen sein, wohin du auch gehst.«
    Später am Abend, als alle heimgegangen sind und Joy an ihrem neuen Platz auf dem Sofa im großen Zimmer liegt, unterhalten Sam und ich uns über das Baby und einen etwaigen Umzug.
    »In einem eigenen Haus könnten wir tun, was wir wollen«, sagt Sam in Sze Yup. Dann fügt er auf Englisch hinzu: »In unserer Privatsphäre.« Es gibt kein Wort im Chinesischen, das die Bedeutung von Privatsphäre vermittelt, doch uns gefällt diese Vorstellung. »Und alle Frauen wollen weg von ihrer Schwiegermutter.«
    Ich stehe nicht unter Yen-yens Fuchtel, aber der Gedanke, von Chinatown fortzuziehen und Joy und dem Baby neue Möglichkeiten zu eröffnen, erhellt mein Herz. Doch bei uns ist es nicht wie bei Fred. Wir können nicht die G. I. Bill in Anspruch nehmen, um ein Haus zu kaufen. Keine Bank würde einem Chinesen ein Darlehen geben, und wir haben auch kein Vertrauen in amerikanische Banken, weil wir Amerikanern kein Geld schulden wollen. Aber Sam und ich haben gespart, haben unser Geld in einer Socke und im Futter des Hutes versteckt, den ich bei meiner Flucht aus China trug. Wenn unsere

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