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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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verletzt?«
    »Was ist passiert?«
    »Wir haben gehört, es war ein feindliches Flugzeug. Dieses Affenvolk ist schlimmer als Missgeburten aus Schildkröteneiern!«
    Während sich alle um May scharen, kommen die Frau und die Töchter des Polizisten zu mir. Furcht liegt in den Augen der Frau. Das ältere Mädchen zieht mich an der Bluse. »Unser Baba ist noch nicht nach Hause gekommen.« Sie klingt hoffnungsvoll und tapfer. »Sag uns bitte, dass du ihn gesehen hast.«
    Ich schüttle den Kopf. Das Mädchen nimmt seine kleine Schwester an der Hand und schleicht zurück zur Treppe. Die Mutter schließt vor Angst und Sorge die Augen.
    Jetzt, da May und ich in Sicherheit sind, kommen mir all die Ereignisse des Tages zu Bewusstsein. Meiner Schwester geht es gut, und wir haben uns nach Hause durchgeschlagen. Die Angst und die Aufregung, die mich stark gemacht haben, fallen von mir ab. Ich fühle mich leer, schwach, und mir wird schwindelig.
Das muss den anderen aufgefallen sein, denn ich spüre plötzlich Hände, die mich zu einem Sessel geleiten. Ich lasse mich in die Kissen sinken. Jemand führt mir eine Tasse an die Lippen, ich trinke lauwarmen Tee.
    May ist mittlerweile wieder aufgestanden und zählt stolz auf, was ich ihrer Ansicht nach geleistet habe. »Pearl hat nicht geweint. Sie hat nicht aufgegeben. Sie hat mich gesucht und gefunden. Sie hat sich um mich gekümmert. Sie hat mich nach Hause gebracht. Sie…«
    Es hämmert gegen die Haustür. Baba ballt die Hände zu Fäusten, als wüsste er, was jetzt kommt. Wir haben keinen Diener mehr, der die Tür öffnet, trotzdem rührt sich niemand. Angst erfüllt uns. Sind das Flüchtlinge, die um Hilfe bitten wollen? Sind die Zwergbanditen bereits in die Stadt eingedrungen? Haben die Plünderungen begonnen? Oder haben ein paar Schlauköpfe herausgefunden, wie sie sich durch Schutzgeldforderungen am Krieg bereichern können? May geht mit leicht schwingenden Hüften zur Tür geht, öffnet sie und weicht dann langsam einige Schritte zurück, die Hände ausgestreckt, als wolle sie sich er geben.
    Die drei Männer, die eintreten, tragen keine Militäruniform, trotzdem sieht man ihnen sofort an, dass sie gefährlich sind. Ihre Lederschuhe sind vorne spitz, so können sie mehr Schaden anrichten, wenn sie zutreten. Die Männer tragen Hemden aus feiner schwarzer Baumwolle, darauf sieht man so schnell keine Blutflecke. Ihre Filzhüte haben sie tief ins Gesicht gezogen, damit die Krempe einen Schatten wirft. Einer hat eine Pistole in der Hand, ein anderer eine Art Keule. Die Waffe des Dritten ist sein Körper, klein, aber kompakt. Ich habe fast mein ganzes Leben in Shanghai verbracht, und auf der Straße oder in einem Club erkenne - und meide - ich Mitglieder der Grünen Bande, aber ich hätte nie damit gerechnet, bei uns zu Hause einem von ihnen zu begegnen, und schon gar nicht dreien. Oder anders ausgedrückt: Schneller hat sich noch nie ein Raum geleert. Unsere Mieter -
von den Töchtern des Polizisten über den Studenten bis zu den Tänzerinnen - stieben auseinander wie Herbstlaub.
    Die drei Kerle ignorieren May und betreten lässig den Salon. Obwohl es warm ist, fröstelt es mich.
    »Herr Chin?«, fragt der Stämmige, als er sich vor meinem Vater aufpflanzt.
    Baba - und das werde ich nie vergessen - schluckt immer wieder, wie ein Fisch, der auf einer heißen Betonplatte nach Luft schnappt.
    »Haben Sie was im Hals oder wie?«
    Der spöttische Tonfall der Eindringlinge veranlasst mich, den Blick vom Gesicht meines Vaters abzuwenden - aber es kommt noch schlimmer. Seine Hose färbt sich dunkel, als er die Kontrolle über seine Blase verliert. Der Stämmige, offenbar der Anführer dieser kleinen Gruppe, spuckt angewidert auf den Boden.
    »Sie haben Ihre Schulden beim Pockennarbigen Huang nicht beglichen. Sie können sich nicht viele Jahre lang Geld von ihm leihen, um Ihrer Familie ein verschwenderisches Leben zu bieten, und es ihm schuldig bleiben. Sie können nicht in seinen Etablissements spielen und sich dann vor Ihren Spielschulden drücken.«
    Schlimmere Nachrichten sind kaum vorstellbar. Der Pockennarbige Huang ist unglaublich mächtig. Es heißt, wenn irgendwo in der Stadt eine Uhr gestohlen wird, sorgen seine Lakaien dafür, dass sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden wieder bei ihrem rechtmäßigen Besitzer landet - gegen Bezahlung natürlich. Angeblich lässt er Särge an Leute liefern, die ihn verärgert haben. Wenn ihn jemand auf irgendeine Art und Weise betrogen hat,

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