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Toechter Aus Shanghai

Titel: Toechter Aus Shanghai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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nahe vor ihres. Lächelnd sagt er: »Eure Familie ist zerbrochen. Ihr solltet auf der Straße leben. Ich frage dich noch einmal, wäre es nicht besser, jetzt mit uns zu kommen? Wir mögen Kalendermädchen.«
    »Ich habe ihre Fahrkarten«, sagt plötzlich eine leise Stimme. »Ich sorge dafür, dass sie abreisen, damit die Vereinbarung eingehalten wird, die Sie mit meinem Mann zur Begleichung seiner Schulden getroffen haben.«
    Zuerst weiß ich gar nicht, wessen Stimme es ist. Keiner von uns weiß es. Wir alle sehen uns um, bis unser Blick auf meine Mutter fällt, die noch kein Wort gesagt hatte, seit die Männer unser Haus betreten haben. Ich entdecke eine Härte an ihr, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Vielleicht geht es uns allen so mit unseren Müttern. Sie kommen uns ganz gewöhnlich vor, bis sie eines Tages etwas Ungewöhnliches tun.
    »Ich habe die Billets«, wiederholt sie. Das muss eine Lüge sein. Ich hatte sie doch weggeworfen, zusammen mit den Einwanderungspapieren und dem Handbuch, das mir Sam gab.
    »Wozu sollen die Schiffskarten jetzt noch gut sein? Ihre Töchter haben die Abfahrt verpasst.«
    »Wir tauschen sie um, und die Mädchen fahren zu ihren Ehemännern.« Mama knetet ein Taschentuch in den Händen. »Ich kümmere mich darum. Und dann ziehen mein Mann und ich aus diesem Haus aus. Sagen Sie das dem Pockennarbigen Huang. Wenn ihm das nicht gefällt, dann soll er selber herkommen, damit er es mit mir besprechen kann, einer Frau…«
    Meine Mutter wird durch ein scheußliches Geräusch unterbrochen: Der Hahn einer Pistole wird gespannt. Der Anführer hebt die Hand, bedeutet seinen Leuten, sich bereitzuhalten. Die Stille hängt über dem Raum wie ein Schleier. Draußen ertönen die Sirenen der Krankenwagen, Maschinengewehre rattern und sprotzen.
Dann schnaubt der Anführer leicht. »Madame Chin, Sie wissen, was passiert, wenn wir feststellen, dass Sie uns anlügen.«
    Als unsere Eltern schweigen, bringt May den Mut auf zu fragen: »Wie viel Zeit haben wir?«
    »Bis morgen«, knurrt er. Dann lacht er grob, weil es so gut wie unmöglich ist, seine Forderung zu erfüllen. »Aber es wird nicht leicht, die Stadt zu verlassen. Wenn die Katastrophe heute etwas Gutes hat, dann dass uns viele der ausländischen Teufel verlassen. Sie haben oberste Priorität auf den Schiffen.«
    Seine Männer kommen auf May und mich zu. Das war es jetzt. Wir werden zum Eigentum der Grünen Bande. May umklammert meine Hand. Dann geschieht ein Wunder: Der Anführer macht uns zähneknirschend ein neues Angebot.
    »Ich gebe euch drei Tage. Dann müsst ihr auf dem Weg nach Amerika sein, und wenn ihr schwimmen müsst. Morgen kommen wir wieder - von jetzt an jeden Tag - und stellen sicher, dass ihr nicht vergesst, was ihr zu tun habt.«
    Nachdem diese Drohung ausgesprochen und uns eine Frist gesetzt wurde, gehen die drei Männer, nicht ohne zuvor noch ein paar Lampen umzuwerfen und mit der Keule Mamas wenige Vasen und Figürchen kaputt zu schlagen, die noch nicht im Pfandhaus gelandet sind.
    Sobald sie weg sind, sinkt May auf dem Boden zusammen. Niemand kommt ihr zu Hilfe.
    »Du hast uns belogen«, sage ich zu Baba. »Du hast uns über den Alten Herrn Louie und den Grund für unsere Heirat belogen …«
    »Ich wollte nicht, dass ihr euch wegen der Grünen Bande Sorgen macht«, gesteht er kläglich.
    Diese Antwort macht mich wütend und aufgebracht. »Du wolltest nicht, dass wir uns Sorgen machen?«
    Er schreckt zurück, wehrt dann aber meinen Zorn mit einer Gegenfrage ab: »Ist das jetzt noch wichtig?«
    Wir schweigen lange, während wir darüber nachdenken. Ich
weiß nicht, was Mama und May durch den Kopf geht, aber mir fällt vieles ein, was wir hätten anders machen können, wenn wir die Wahrheit gekannt hätten. Ich glaube immer noch, dass May und ich nicht an Bord des Schiffs gegangen wären, das uns zu unseren Ehemännern bringen sollte, doch irgendetwas hätten wir uns einfallen lassen: weglaufen, uns in der Mission verstecken, Z. G. anbetteln, uns zu helfen …
    »Ich musste diese Last zu lange mit mir herumtragen.« An meine Mutter gewandt fragt Baba jämmerlich: »Was machen wir jetzt?«
    Mama wirft ihm einen vernichtenden, verächtlichen Blick zu. »Wir tun, was wir können, um unser Leben zu retten«, sagt sie und zieht ihr Taschentuch durch den Jadearmreif.
    »Schickst du uns nach Los Angeles?«, fragt May mit zittriger Stimme.
    »Das kann sie gar nicht«, sage ich. »Ich habe die Schiffskarten weggeworfen.«
    »Ich

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