Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toechter der Dunkelheit

Toechter der Dunkelheit

Titel: Toechter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
Vom Netzwerk:
gewesen sein!“
    Dann explodierte etwas in seinem Kopf, und Dunkelheit verschlang alle Gedanken und Ängste.
     

10.
     
    „Selten ist etwas so, wie es scheint. Meistens ist es noch viel, viel schlimmer.“
    Sprichwort, bekannt in allen Ländern Enras
     
     
    Inani drückte sich tief in das Gebüsch, die Arme fest um die eigenen Knie geschlungen. Seit über drei Wochen harrte sie hier draußen aus, Erschöpfung, Hunger und Kälte waren ihre ständigen Begleiter. Doch tiefer als das ging der Schmerz, den nur Verrat hinterlassen konnte.
    „Eines musst du verstehen, Inani“, hatte ihre Mutter ihr zum Abschied gesagt. „Verrat gibt es dort, wo vorher Vertrauen und Liebe war. Verrat ist eine der Lektionen, die du lernen musst, denn nichts ist gefährlicher für eine Hexe. Verrat ist der häufigste Grund, warum unsereins stirbt. Hexen bewegen sich in Roen Orms Fürstenhäusern, in Königspalästen, inmitten der Reichen und Adligen dieser Welt, vor den Augen von Sonnenpriestern und Wächtern. Wir tun, was immer notwendig scheint, um die Welt nach Pyas Willen zu formen. Ein einziges falsches Wort zerreißt unsere Tarnung. Verrat, ob vorsätzlich oder durch Folter erzwungen, lässt uns hilflos inmitten von Feinden zurück. Vertraue niemandem. Auch nicht mir oder deinen Freundinnen. Zeig deine Liebe nur, wenn du in der Sicherheit dieser Nebelwelt bist, denn außerhalb von ihr warten die Diener des Ti, uns zu vernichten. Und selbst innerhalb unseres eigenen Reiches ist Vertrauen und Liebe ein gefährlicher Luxus. Du weißt was ich meine, nicht wahr? Ja, du wurdest verraten. Deine schlimmsten Feinde sind unter denen, die du für Freunde gehalten hast. Ich kann dich nicht beschützen, Tochter, und ich will es auch nicht. Du bist stark und musst noch viel stärker werden, die Göttin erwartet Großes von dir! Du musst lernen, Verrat jederzeit zu befürchten und schon im Vorfeld erkennen zu können.“
    Zitternd vor Schwäche und Zorn überdachte Inani diese Worte, immer und immer wieder, wie schon seit Wochen. Ihre eigene Mutter schützte sie nicht mehr vor den Feinden! Und Alanée – war sie wirklich diejenige gewesen, die Corins Taube als Opfer bestimmt hatte? Sie musste es sein, denn wer sonst hätte Gelegenheit gehabt, die Schlange freizulassen? Wer hatte sie verraten?
    Ihre Gedanken hörten nicht auf zu kreisen, auch wenn es sie niederdrückte und ihre Seele in dunkler Regungslosigkeit versank.
    Unwillkürlich streckte Inani die Hand nach ihrer Vertrauten aus, als die Schlange sich an sie drückte. Sie streichelte über die glatten, grünen Schuppen der Kyphra und folgte mit dem Finger den schwarzen Tarnflecken. Schrecklich, die Erinnerung an Corins Verzweiflung, die blutigen Federn in ihren Händen ... Plötzlich erstarrte sie.
    Blutige Federn?                                     
    Rasch griff sie nach dem Geist ihres Vertrauten, sandte ihre Fragen mit solcher Intensität, dass die Schlange zischelnd vor ihr zurückwich.
    „Hast du die Taube gebissen, bevor du sie verschlungen hast? Warum war dort so viel Blut?“ Inani hätte sich ohrfeigen können, nicht früher daran gedacht zu haben – eine Schlange hinterließ kein Blutbad beim Fressen wie eine Raubkatze. Die Kyphra hätte die Taube mit einem gezielten Biss betäubt, gewartet, bis das Opfer durch das Gift bewegungsunfähig geworden war und es dann ohne Hast verschlungen.
    Verächtliche Gelassenheit war die Antwort.
    „Ich bin Kyphra. Das Blut bleibt im Opfer, ich vergeude nicht!“, erwiderte die Schlange. Ihre Fähigkeit, sich mit Bildern zu verständigen, wuchs beständig, Inani war mit jedem Tag stärker beeindruckt von diesem fremdartigen Verstand.
    „Warum war dort so viel Blut?“ Sie kannte die Antwort. Man hatte sicher gehen wollen, dass die Tat nicht unbemerkt blieb.
    Und nun, wo sie neue Antworten gefunden hatte, drängten unerbittlich weitere Fragen nach.
    „Warum hast du die Taube überhaupt gefressen? Du warst nicht hungrig und sie gehört nicht zu deiner gewöhnlichen Beute.“
    „Dort war das blaue Lied-Licht, es brachte den Hunger, Hunger auf pickenden Fährtenvogel.“
    Natürlich – es war nicht viel Magie nötig, um eine Schlange zu überreden, von Gier auf eine Taube überwältigt zu werden. Blaues Licht war ein schönes Bild für die magische Energie, doch Inani musste eine Weile nachdenken, bis sie den Sinn von Lied-Licht verstand. Die Magie war aus Pya und Ti entstanden, und die göttlichen

Weitere Kostenlose Bücher