Toechter der Dunkelheit
einen anderen Weg suchen. Darum habe ich mich eingemischt.“
Maondny schluchzte auf, kämpfte um ihre Selbstbeherrschung. Geduldig wartete Fin Marla, bis Maondny wieder ruhig atmete und ihre Schultern nicht mehr zuckten. Thamar hingegen, der kein einziges Wort begriff, versuchte unbehaglich, sich unsichtbar zu machen. Es berührte Fin Marla, dass er den Reflex, Maondny zu trösten, kaum unterdrücken konnte. Niemals hätte sie das von einem Menschen erwartet!
„Es ist nicht alles verloren, Mutter. Und das ist der Grund, warum ich es einfach tun musste, verstehst du? Ich hatte nicht wirklich über alle Konsequenzen nachgedacht, als ich mich gegen das Schicksal stemmte, es war Instinkt, keine logische Entscheidung. Ich wusste lediglich, dass es sich richtig anfühlte … Mutter, die Eule selbst hat mir meine Tat vergeben.“ Fin Marla zuckte zusammen, konnte jedoch nichts erwidern. Die Worte stürzten aus Maondny heraus, offensichtlich hatte sie diese Last zu lange getragen. „Ich sehe einen komplizierten, unendlich ineinander verschlungenen Schicksalspfad voraus, der nicht nur für unser Volk, sondern für ganz Enra bedeutsam ist. Einen Weg, der noch nicht festgelegt ist. Mit jedem Schritt, den wir wagen, ändert er die Richtung, aber letztendlich führt er zum Ziel. Wir werden heimkehren. Vertraue mir. Thamar muss leben und frei sein, dann können wir gewinnen!“ Maondnys Augen funkelten golden auf, als sie geistig nach ihrer Mutter griff. „Sieh her! Siehst du dies? Viele Jahre werden wir warten müssen, doch was daraus erwachsen könnte ist so viel mehr, als wir erhofft hatten.“
Fin Marla betrachtete das leuchtende Geflecht zukünftiger Ereignisse, das sich in strahlender Schönheit vor ihr entfaltete. Atemlos folgte sie den Visionen ihrer Tochter, die so viel klarer waren als alles, was sie selbst jemals erfahren hatte.
„Ich sehe, was du meinst. Aber du weißt, wie gering die Hoffnung ist, dass sich alles so fügt, ohne dass wir einen zu hohen Preis zahlen müssen. Vor allem du selbst, nicht wahr?“
„Mutter, du weißt, wie gering die Hoffnung ist, dass sich überhaupt etwas zum Guten fügt. Hoffnung ist alles, was wir noch haben … Also warum hoffen wir nicht einfach auf das Beste, was sich uns bieten könnte?
Warum fordern wir nicht vom Schicksal, statt nur zu warten, ob es uns freiwillig gnädig sein will?“
„Du bist jung, Maondny. Ungeduldig. Dennoch, ich bin froh, dass du den Jungen gerettet hast. Aus dieser Tat der Gnade wird Gutes erwachsen, das spüre ich!“
„Er ist so schwer verletzt, seine Seele in Stücke gerissen … Glaubst du nicht, er könnte Roen Orm ein furchtbarer König werden?“, fragte Maondny verzagt.
„Siehst du diese Möglichkeit voraus?“
„Diese ebenso wie hunderte andere, ich wage es nicht, das zu entscheiden.“
„Tochter, du hast ihn gerettet, ohne dass es für dich dafür etwas zu gewinnen gab. Wenn das nichts wert ist, dann gibt es nichts von Wert in dieser Welt! Aber genug davon. Lassen wir die Zukunft kommen, wir müssen ihn von hier fortbringen. Ich bin froh, dass du mir vertraut hast, Maondny. Es war dieses Vertrauen, warum du den Jungen hierher in die größtmögliche Gefahr getragen hast, nicht wahr?“
„Ja. Ich brauche dich auf meiner Seite, es war die einzige Möglichkeit, die richtigen Schicksalsfäden zu bewegen.“
Sie lächelten einander zu, zwei Seherinnen, die verstanden, was die andere durchstehen musste. Dann erhob sich Fin Marla und winkte dem jungen Mann, ihr zu folgen.
„Komm zu mir, Thamar, wir haben einen langen Weg vor uns und einiges zu bereden dabei.“
Unsicher, was dies alles für ihn zu bedeuten haben mochte, trat er zu ihr. Sie hörte seine ungeschützten Gedanken. Tausende Fragen schossen gleichzeitig durch seinen Kopf. Ob sie mir nun endlich etwas offenbaren wird? Wer ist Osmege? Stammen die Elfen wirklich aus einer anderen Welt? Aber warum, und was wollen sie hier?
Fin Marla lächelte ihm zu und sagte nickend: „Ja, Thamar, du wirst Antworten erhalten. Schon bald.“
12.
Niemand soll hoffen, die Welt verändern zu können. Doch die Welt wird eine andere sein, wann immer man selbst sich ändert.
Sprichwort der Loy
Inani stieg vergnügt den Berghang hinab. Der Panther hatte in der Nacht ein Reh gejagt, und das Fleisch mit ihr geteilt – es hatte ihn sehr verwirrt, dass sie es gebraten hatte. Sie wusste immer noch nicht genau, in welchem Teil von Enra sie gelandet war, aber da ihr die Pflanzen-
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