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Töchter Der Finsternis

Töchter Der Finsternis

Titel: Töchter Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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waren egozentrisch, eitel und hatten den Intelligenzquotienten einer Fledermaus.
    Und der Typ sah aus, als könne er weder aus seinem Tran aufwachen, noch etwas ernst nehmen, auch wenn es um sein Leben ging.
    Mir ist es egal, weshalb er hier ist, dachte sie. Ich gehe wieder nach oben.
    Da hob der Typ auf der Couch die Hand und wackelte mit den Fingern. Er drehte sich halb um. Nicht weit genug, um Mary-Lynnette tatsächlich anzusehen, aber weit genug, um klarzumachen, dass er mit jemandem sprach, der hinter ihm stand. Sie konnte jetzt sein Profil im Spiegel sehen. „Hallo."
    „Mary-Lynnette, bist du das?" rief Claudine.
    „Ja." Sie öffnete die Kühlschranktür und klapperte herum. „Ich wollte mir einen Saft holen."
    Vor Verlegenheit und Ärger schlug ihr Herz heftig. Gut, er musste sie ebenfalls im Spiegel entdeckt haben. Vermutlich dachte er, sie hätte ihn angeglotzt, weil er so gut aussah.
    Wahrscheinlich war er gewohnt, dass er von Menschen angestarrt wurde, wo er ging und stand. Also, was soll's. Geh jetzt, sagte sie sich.
    „Bleib noch einen Moment", rief Claudine. „Komm und unterhalte dich ein paar Minuten mit uns."
    Nein! Sie wusste, dass es eine kindische und alberne Reaktion war, aber sie konnte nichts daran machen. Sie knallte eine Flasche Orangensaft gegen eine Flasche mit Mineralwasser.
    „Ich will dich Mrs. Burdocks Neffen vorstellen", fuhr Claudine fort Mary-Lynnette erstarrte.
    Sie blieb einen Moment an der offenen Kühlschranktür stehen und starrte auf die Temperaturanzeige im Hintergrund. Dann stellte sie den Orangensaft hin. Sie holte sich eine Dose Cola heraus, ohne sie zu sehen.
    Welcher Neffe? dachte sie. Ich kann mich nicht erinnern, von einem Neffen gehört zu haben.
    Aber sie hatte auch nichts über Mrs. Burdocks Nichten gehört, bis sie kommen wollten. Mrs.
    Burdock erzählte nicht viel von ihrer Familie.
    Also das ist ihr Neffe. Deshalb hatte er so viel über sie wissen wollen, dachte sie. Aber weiß er Bescheid? Steckt er mit den Mädchen unter einer Decke? Oder ist er hinter ihnen her? Oder
    ...?
    Total verwirrt ging sie ins Wohnzimmer.
    „Mary-Lynnette, das ist Ash. Er will seine Tante und seine Schwestern besuchen", stellte Claudine vor. „Ash, das ist Mary-Lynnette. Sie ist diejenige, die gut mit Mrs. Burdock befreundet ist."
    Ash stand so geschmeidig auf wie eine Katze, die sich streckt. „Hallo."
    Er hielt ihr die Hand hin. Mary-Lynnette nahm sie mit Fingern, die kalt und feucht von der Coladose waren, sah ihm ins Gesicht und sagte: „Hallo."
    Außer, dass es so nicht passierte.

    Es lief so ab: Mary-Lynnette hatte die Augen gesenkt, als sie hereinkam, was ihr einen guten Blick auf seine Nike-Schuhe und die zerrissenen Knie seiner Designerjeans verschaffte. Als er aufstand, schaute sie auf sein T-Shirt, auf dem sich ein seltsamer Aufdruck befand - eine schwarze Blume vor weißem Hintergrund. Vermutlich das Zeichen irgendeiner Rockgruppe.
    Als seine Hand in ihr Blickfeld kam, griff sie automatisch danach, murmelte eine Begrüßung und schaute in dem Moment in sein Gesicht, in dem sich ihre Finger berührten. Und ...
    Das war der Teil, der schwer zu beschreiben war.
    Etwas geschah. He, kenne ich dich nicht? fuhr es ihr durch den Kopf.
    Sie kannte ihn nicht. Das war der springende Punkt. Er war ein Fremder für sie - aber sie fühlte, dass sie ihn kennen sollte. Sie fühlte sich außerdem so, als hätte jemand in ihr Innerstes gegriffen und ihr Rückgrat mit einem elektrisch geladenen Stromkabel berührt. Es war sehr unangenehm. Ein rosa Schleier legte sich über das Zimmer. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihr Herz schlug wie wild. Auch das war nicht sehr schön. Aber wenn man alles zusammennahm, kam eine Art zitternder Schwindel heraus, wie ...
    Wie das, was sie gefühlt hatte, als sie den großen Orion-Nebel betrachtet oder sich vorgestellt hatte, wie Galaxien entstanden und größer und größer wurden.
    Sie sah nur noch seine Augen. Und diese Augen waren seltsam wie Prismen, die ihre Farbe verändern. Sie waren mal blau, mal golden, dann violett.
    Bitte, das soll aufhören, dachte sie. Ich will das nicht.
    „Es ist gut, mal ein neues Gesicht zu sehen, nicht? So immer nur unter uns, das wird auf die Dauer langweilig", sagte Claudine mit ganz normaler Stimme. Mary-Lynnette wurde aus ihrer Trance gerissen und reagierte, als hätte Ash ihr ein Frettchen hingehalten und nicht seine Hand. Sie sprang zurück und wandte den Blick ab. Sie hatte das Gefühl, in letzter

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