Töchter Der Finsternis
Berührung überraschte und rührte sie. Sie betrachtete seine langen, gebräunten Finger, den Siegelring mit dem schwarzen Zeichen darauf und spürte seinen kraftvollen, doch zarten Griff.
Sie war noch überraschter, als sie ihm wieder ins Gesicht schaute. Offene Besorgnis lag in seinem Blick - und so etwas wie Respekt. Einen Moment hatte sie den wilden, unerklärlichen Drang, ihm alles zu erzählen. Aber sie konnte sich vorstellen, was er denken würde. Jeremy war sehr nüchtern.
„Danke, Jeremy", sagte sie und rang sich ein schwaches Lächeln ab. „Pass auf dich auf."
„Du sollst auf dich aufpassen. Es gibt Menschen, die würden dich vermissen, wenn dir etwas zustoßen würde." Er lächelte, aber selbst als sie schon wegfuhr, konnte sie seinen besorgten Blick noch auf sich spüren.
So schön, so gut, und was nun? fragte sie sich.
Sie hatte schon fast den ganzen Tag mit der Suche nach Todd und Vic verschwendet. Nach dem Gespräch mit Jeremy und dem besorgten Blick in seinen braunen Augen fragte sie sich jetzt, ob das nicht von Anfang an eine blöde Idee gewesen war.
Braune Augen. Welche Augenfarbe hat die blonde Raubkatze? überlegte sie unwillkürlich.
Seltsam, es war schwer, sich daran zu erinnern. Sie glaubte, dass sie in einem Moment braun ausgesehen hatten, nämlich, als er über seine altmodische Familie gesprochen hatte. Aber als er sagte, er mag Mädchen mit Temperament, waren sie blau gewesen.
Und als dieser seltsame, gefährliche Ausdruck über sein Gesicht geflogen war, hatten sie da nicht eisgrau geleuchtet? Ach, was sollte es? Vielleicht waren sie orange. Mary-Lynnette beschloss, nicht weiter darüber nachzugrübeln und nach Hause zu fahren.
Warum? Warum? Warum ich?
Ash starrte auf die Trauerweide vor sich. Ein Eichhörnchen, das zu dumm war, um aus der Sonne zu gehen, starrte zurück. Auf dem Stein neben ihm hob eine Eidechse langsam erst einen Fuß, dann den anderen.
Es war nicht fair. Es war nicht richtig.
Er weigerte sich, es zu glauben.
Er hatte immer Glück gehabt. Auf jeden Fall war es ihm bisher gelungen, an jeder Katastrophe haarscharf vorbei zu schlittern. Aber diesmal hatte das Schicksal zugeschlagen und ihm alles genommen.
Alles, was er war, alles, woran er glaubte - konnte er das in fünf Minuten verlieren? Wegen eines Mädchens, das vermutlich einen Knall hatte und gefährlicher war als seine drei Schwestern zusammen?
Nein, beschloss er grimmig. Ganz klar nein. Nicht in fünf Minuten. Es hatte nur fünf Sekunden gedauert.
Er kannte so viele Mädchen - nette Mädchen. Hexen mit geheimnisvollem Lächeln, Vampirmädchen mit sexy Kurven, Gestaltenwandlerinnen mit süßen, kleinen Pelzschwänzen.
Sogar Menschenmädchen mit schicken Sportwagen, die es toll fanden, wenn er an ihren Hälsen knabberte. Warum konnte es nicht eine von ihnen sein?
Nun, sie war es nicht. Und es hatte keinen Zweck, über die Ungerechtigkeit von all dem nachzudenken. Die Frage war, was würde er dagegen machen? Einfach dasitzen und sich vom Schicksal überrollen lassen wie von einem Schwerlaster?
Deine Familie tut mir Leid, hatte Quinn gesagt. Vielleicht war das das Problem. Ash war ein Opfer der Redfern-Gene. Die Redferns gerieten dauernd in Schwierigkeiten, was Menschen betraf.
Sollte er warten, bis Quinn zurückkam, und den ganzen Schlamassel als Ausrede benutzen?
Es tut mir Leid, ich werde mit der Situation hier doch nicht fertig; ich kann nicht Leute heran?"
Sie erwartete eine blöde Antwort von der witzigen Art oder eine Anmache. Aber Ash betrachtete sie nur schlecht gelaunt. „Nein. Was machst du eigentlich hier?"
Mary-Lynnettes Herz flatterte. Aber sie hörte, dass ihre eigene Stimme ausdruckslos klang, als sie antwortete: „Ich beobachte die Sterne. Das tue ich jede Nacht."
Er schaute erst sie an, dann den Jeep. „Du beobachtest die Sterne?"
„Ja. Von der Spitze des Hügels aus." Sie deutete in die Richtung.
Jetzt schaute er auf den Fotoapparat um ihren Hals. „Kein Teleskop", bemerkte er skeptisch.
„Oder was ist das da hinten im Auto?"
Ihr fiel auf, dass sie immer noch die Schlüssel in der Hand hielt, um die Tür des Jeeps aufzuschließen. „Ich habe mein Teleskop heute Nacht nicht mitgebracht." Sie ging zur Bei
fahrertür, schloss sie auf und griff hinein, um ihr Fernglas herauszuholen. „Man braucht nicht immer ein Teleskop, um den Sternenhimmel zu betrachten. Man kann auch hiermit was sehen."
„Ach, wirklich?"
„Ja, wirklich." Nun, das war ein Fehler, dachte
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