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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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unternehmen, dann ist man innerhalb einer Minute bewußtlos, und schon verdammt kurze Zeit danach ist man vollends erledigt. Jedoch wenn man mit Sauerstoff versorgt wird, ehe man vollkommen erledigt ist, wird man so gut wie neu innerhalb von fünfzehn Sekunden. Das ist das Erstaunliche an Sauerstoff. Ein paar Nasenlöcher voll davon — und das Gehirn tickt weiter, genau dort, wo es stehengeblieben war. Und man darf weiterhin genauso ein Dummkopf sein wie vorher.
    Wir mußten diese Geschichte mit dem Sauerstoff bis in die kleinste Einzelheit wissen, denn wenn wir je in ein Flugzeug gelangen sollten, so war eine unserer wichtigsten Pflichten, die Passagiere im Auge zu behalten, ob sie auch keine Anzeichen von Sauerstoffmangel zeigten, weil einige Menschen von Natur aus anfälliger dafür waren als andere. Menschen mit Herzbeschwerden zum Beispiel konnten mir nichts dir nichts blau werden; und wenn man sah, wie jemand blau wurde, mußte man vor allem jedes Gefühl der Panik unterdrücken, mußte die Sauerstoffmaske herunterreißen, ihn oder sie einatmen lassen, und hoppla! — sie oder er wurde wieder rosig. Babys können auch blau werden (das tun sie ohnehin bei dem geringsten Anlaß), aber einem Baby darf man die Sauerstoffmaske nur ein paar Zentimeter entfernt vor die Nase halten, sonst könnte sein kleines Hirn zu sehr erschrecken. Manche Menschen können plötzlich einen berauschten Eindruck machen, ohne einen Tropfen getrunken zu haben: Sauerstoffmangel. Einige Menschen werden unnatürlich schläfrig: Sauerstoffmangel. Es konnte auch der Stewardeß zustoßen, natürlich, und die Antwort darauf war das Zauberwort: Sauerstoff. Nichts als Sauerstoff.
    Am Mittwochmorgen hielt Ray Duer uns einen Vortrag über verschiedene psychologische Gesichtspunkte beim Fliegen. Er hätte keine Angst zu haben brauchen, daß ich ihn vor den anderen Liebling nennen könnte; ich konnte es nicht einmal ertragen, ihn anzusehen, ich konnte es nicht ertragen, seinem Blick zu begegnen. Seine rechte Hand war geschient und verbunden, und ich weinte innerlich und fragte mich, wie schwer er verletzt sein möge. Offensichtlich waren ein paar wunderliche Legenden über das Fliegen in Düsenmaschinen entstanden, wie zum Beispiel, daß man nach einer gewissen Zeit taub werde, oder daß es allmählich die Eingeweide zersetze aufgrund der Überschallgeräusche; und er nahm jede dieser Legenden und analysierte sie, bis nichts mehr von ihnen übrigblieb. Er sprach sogar in ganz sachlichem Ton über die seelischen Schwierigkeiten, die einige Mädchen zu haben schienen, wenn sie während ihrer Tage flogen: Gewisse, sich in dieser Zeit einstellende Dysmenorrhöe hätte sich als erträglicher erwiesen, wenn man flöge, als wenn man zu Hause bliebe. Ein großes Wort, es bedeutete, wie er erklärte, krampfartige Störungen.
    Nachdem er geendet hatte, blieb er noch ein paar Minuten und schwatzte mit Miß Webley; dann, als er hinausging, schaute er mich kurz an. Das genügte. Ich bekam auf der Stelle Dysmenorrhöe und konnte beim Essen keinen Bissen hinunterkriegen. Mein Gott, was für einen Kampf hatte ich aus meinem Leben gemacht!
    Am nächsten Morgen verbrachten wir ein paar Stunden an Bord einer Boeing 707. Wir flogen nicht. Miß Webley erklärte: »Kinder, bevor wir euch in Düsenflugzeugen einsetzen, werdet ihr noch einmal hierher zurückkommen zu einem viertägigen Kurs. Ihr werdet dann ausführlicher unterrichtet über Flugsicherheit und das Verhalten bei unerwarteten Zwischenfällen und so weiter. Seht euch diese Kabinen an«, sagte sie, und wir schauten die riesige Länge der vorderen und der hinteren Kabine entlang. »Das ist eine ziemliche Verantwortung, nicht wahr?« Jedes Mädchen an Bord hielt den Atem an.
    Der Nachmittag war leicht, wie sie uns versprochen hatte; unser letzter Nachmittag. Wir gingen nach oben, um unsere Verträge mit Magna International Airlines zu unterschreiben. Dann gingen wir in Zimmer fünfzehn, um von Mrs. Sharpless unsere Uniformen entgegenzunehmen. Danach kam eine kleine Feier im Klassenzimmer. Wir hatten schon vor ein paar Tagen für ein Geschenk für Miß Webley gesammelt; und da sie bald heiratete, hatten wir uns einstimmig auf einen Morgenrock geeinigt; und da sie einen Flugzeugführer heiratete, hatte es für uns alle festgestanden, daß der Morgenrock so aufreizend sein müsse, daß er auch allein seine Frau stand.
    Miß Webley lachte, als wir ihn ihr überreichten, und zerdrückte gleichzeitig ein paar Tränen.

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