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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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hab’ zu Mary Ruth gesagt, okay, ich warte ein halbes Jahr. Ich versteh’ ihre Gründe. Sie ist nicht anders als du, Carol, sie ist aus eben diesem Grunde hierher gekommen, um sich ein neues Leben zu schaffen, um hinauszukommen in die Welt. Okay. Wir haben uns also folgendermaßen geeinigt. Wir warten ein halbes Jahr, damit mein liebes schönes Mädchen all das tun kann, wovon sie ein Leben lang geträumt hat, damit sie reisen und etwas von der Welt sehen kann und ein bißchen Schliff bekommt und ein bißchen Selbstvertrauen. Nun, Carol, frage ich dich mit meinem Hut in der Hand, findest du nicht, daß meine Mary Ruth eine Chance verdient? Nur eine einzige kleine Chance?«
    »Natürlich finde ich das —«
    »Findest du nicht, daß sie im nächsten halben Jahr ein wenig Bequemlichkeit verdient, ein Heim, das kein Schweinestall ist, ein Heim, dessen sie sich nicht zu schämen braucht, wenn jemand sie besuchen kommt? Ist das zuviel verlangt für meine hübsche junge Mary Ruth, selbst wenn es ein paar jämmerliche Dollar kostet?«
    »Natürlich nicht —«
    »Carol, meine Gute, vielleicht weißt du es nicht, ich aber weiß es. Sie hat dich mächtig gern, tief drinnen in ihrem großen liebevollen Herzen. Du bist immer gut zu ihr gewesen. Du bist ihre Freundin. Sie will hier nicht einziehen ohne dich. Ich bitte niemanden auf der ganzen weiten Welt gern um einen Gefallen, dich aber bitte ich um einen Gefallen. Willst du hier wohnen und meiner Mary Ruth Gesellschaft leisten?«
    Ich brach in Tränen aus.
    Jurgy rief: »Du hast sie aufgeregt mit all dem Quatsch, den du redest, du alter Schmeichler!« Und sie heulte los. Luke schnüffelte, nahm seine Brille ab und fing auch an zu weinen.
    Der Springbrunnen von Miami Beach! Am selben Mittag zogen wir ein. Am Montag früh um acht meldeten wir uns im Flughafen zum Dienst bei unserer Vorgesetzten, Miß Duprez. Wir hatten schon von ihr gehört, sie war als eine der ersten Stewardessen bei Magna International Airlines geflogen, vor langer Zeit, im Jahre Null. Sie war ein zierliches Persönchen mit einem zarten blassen Teint und dieser Art klugem Blick, vor dem man sich sofort schuldig fühlt, selbst wenn man weiß, daß man unschuldig ist. In ihrem Büro stand eine Waage, und als allererstes wog sie uns und kritzelte die Zahlen in ein kleines schwarzes Buch. Ein großartiger Start: ich wog fünf Pfund zuviel, Jurgy wog sieben Pfund zuviel. Als nächstes mußten wir uns setzen und erhielten eine kurze Lektion über Verantwortung. Dabei gab sie uns deutlich zu verstehen, daß sie jede Vernachlässigung in der Pflege unseres Äußeren rücksichtslos ahnden werde. Dann machte sie uns klar, daß wir für die nächste Woche oder so nur eine Art von Wesen zu ihrer uneingeschränkten Verfügung seien: Wir wurden als >C<-Stewardessen fliegen, sozusagen zum Einarbeiten. Sie betrachtete eine große Wandkarte und gab uns unsere ersten Einsätze für den kommenden Tag. Ich hatte einen Flug um sieben Uhr dreißig nach Tampa und New Orleans. Jurgy hatte einen Flug um acht Uhr zehn nach Jacksonville, Savannah, Charleston und Washington. Wir hatten beide die Nacht über Aufenthalt und würden am Mittwoch auf derselben Strecke zurückkehren. Am Donnerstag hatten wir frei, und am Freitag und Samstag würden wir die Strecken tauschen — Jurgy nach New Orleans, ich nach Washington. Dann rief sie zu meiner Bestürzung Doktor Elizabeth Schwartz an und sagte: »Betty, ich hab’ hier zwei Mädchen, die sich zum erstenmal zum Dienst melden. Carol Thompson und M. R. Jurgens... Danke, Betty.« Sie wandte sich uns zu und sagte trocken: »Doktor Schwartz ist bis zu den Ohren beschäftigt mit den neuen Mädchen, aber sie wird Sie irgendwann nach dem Mittagessen einschieben. Melden Sie sich um halb zwei bei ihr im Büro.«
    Ich sagte mutig: »Miß Duprez, wozu ist das? Ich meine, warum müssen wir uns bei Doktor Schwartz melden?«
    »Ärztliche Untersuchung.«
    Mein Gott, sie schienen versessen zu sein auf ärztliche Untersuchungen. Olala. Da löste sich alles auf in einer großen Wolke blauen Rauches. Ich hatte den starken Verdacht, daß glückliche Mutterschaft vor mir liege, in neun Monaten, vom vergangenen Montag an gerechnet, und Doktor Schwartz würde zweifellos alles herausfinden in der Minute, da sie den Blick auf mich richtete.
    Neue Berufe scheinen alle gleich anzufangen; man lungert herum, man weiß nichts mit sich anzufangen und fragt sich, was in aller Welt von einem erwartet wird. Nachdem Miß

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