Töchter der Luft
Duprez uns entlassen hatte, mußten wir dreieinhalb Stunden totschlagen, ehe wir uns bei Doktor Schwartz melden konnten; und Jurgy war ebenso einfallslos wie ich. Wir tranken Kaffee im Flughafenrestaurant, und dann, sozusagen aus blauem Himmel, kam mir eine glänzende Idee. Wir waren mit dem Corvette gekommen, weil er so hinreißend aussah, und auf dem Hinweg hatte ich Jurgy die verschiedenen Hebel gezeigt und oberflächlich erklärt, wozu sie da waren. Nun, da uns so viel Zeit zur Verfügung stand, schlug ich Jurgy vor, zum Motorfahrzeug-Genehmigungsbüro zu fahren, oder wie immer das heißen mochte, und uns eine Lehr-genehmigung zu holen, damit ich anfangen konnte, ihr Fahrstunden zu geben. Zuerst hatte sie Bedenken und zögerte vor diesem entscheidenden Schritt, aber ich überredete sie, vernünftig zu sein, und los ging’s nach Miami, wo wir unter den Einwohnern ein ziemliches Aufsehen erregten. Sie schienen beeindruckt zu sein von unserer Aufmachung und der Pracht unseres blaugrauen Gefährts. Das hob unsere Laune ungemein. Jurgy bekam wieder strahlende Augen und Grübchen, und ich mußte mich sehr zusammermehmen, um ungerührt und würdevoll zu bleiben, als die Jungen hinter uns herpfiffen.
Wir holten uns die Lehrgenehmigung, aßen einen grünen Salat und kamen gerade noch pünktlich um halb drei bei Doktor Schwartz an. Sie nahm mich zuerst dran und schwatzte in ihrer freundlichen Art, während sie mich untersuchte, und zu meiner Verblüffung schenkte sie mir ein strahlendes Lächeln und sagte: »Alles in Ordnung, Carol.« Wahrscheinlich war es ihrem Blick entgangen, daß ich schon volle sechseinhalb Tage schwanger war; und ich verspürte keinen ausgesprochenen Drang, sie darauf hinzuweisen. Ich wartete draußen im Vorraum, während Jurgy untersucht wurde; und dabei machte ich eine ganz neue sonderbare Erfahrung. Mit mir warteten vier aus dem neuen Kurs (der heute anfing), bis sie an die Reihe kamen, ihr >aah< zu sagen. Sie starrten mich mit vor Bewunderung weit aufgerissenen Augen an, als wäre ich Ingrid Bergmann oder Greta Garbo oder eine andere legendäre Gestalt — nun ja, schließlich war ich eine echte Stewardeß, in Uniform und so weiter. Jedes weibliche Wesen neigt dazu, sich unter solchen Umständen ein wenig hochnäsig zu benehmen. Ich schenkte ihnen eine Art herablassendes Lächeln und blickte gleichmütig aus dem Fenster, als prüfte ich die Flugbedingungen für einen Nonstop-Flug um die Welt. Alle vier waren Schönheiten, sie hatten die richtigen Körpermaße, und aus ihren Augen sprach unverkennbar Intelligenz; ansonsten aber waren sie mitleiderregend. Sie waren geradezu bucklig; ihr Haar verlangte nach einer Heckenschere, und sie schienen einfach nach allen Seiten hin auseinanderzufließen. Keine Haltung. Kein Schwung. Ich lachte ziemlich bitter bei dem Gedanken: >Wartet nur, Kinder. Ihr werdet Haltung annehmen. Keine Sorge. Heute in drei Wochen werdet ihr euch fragen, warum ihr geboren seid.<
Sobald Jurgy zum Vorschein kam, fuhren wir wieder los in dem Corvette und suchten uns ein paar ziemlich einsame Sträßchen, wo wir niemandem im Wege waren, und ich verbreitete mich darüber, was einen Wagen antreibt. Sie hatte zuerst eine Todesangst und setzte wieder ihre finstere Miene auf, aber gegen Abend brauste sie den Tamiami Trail entlang mit siebzig Sachen, wobei sie wie eine Hyäne grinste und das Lenkrad mit eisernem Griff umklammerte wie alle Anfänger, und jedesmal, wenn sie vor oder hinter sich einen Lastwagen erblickte, bekam sie einen Herzanfall. Aber sie fuhr. Und wie! Sie hatte eine ausgesprochene Begabung dafür. Ich sagte: »Na, wie ist’s?«, und sie lachte rauh und sagte: »Oh, Junge, das nenne ich Leben.«
Um Schlag halb sieben am nächsten Morgen war ich im Flughafen, am ganze Leibe zitternd; und um halb acht schob unser Flugzeug seine Nase fort von der Rampe auf die Startbahn. Die >A<-Stewardeß, Nan Bumham hieß sie, war eine atemberaubende Blondine, die >B<-Stewardeß, mit Namen Jill Kerrigan, eine lebhafte Brünette. Beide nahmen es gelassen hin, mich an Bord zu haben. Mehr konnte ich schließlich nicht verlangen. Zum Glück war die Maschine nur schwach besetzt, so daß wir nicht allzuviel zu tun hatten; der Wetterbericht war auch gut, und so stand uns — laut Nan — ein angenehmer Flug bevor ohne viel Aufregung. Und doch wurde mir schwindlig, als ich sah, wie tüchtig sie und Jill waren. Sie erledigten die ganze Reihe von Pflichten im Handumdrehen. Nan prüfte die
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