Töchter der Luft
Mieder.
»Großartig«, sagte Donna bitter. »Strümpfe und Mieder! Das Maß meiner Glückseligkeit fließt über.«
»Oh, Junge«, sagte Annette. »Das heißt, wir tragen Strümpfe und Mieder zum Unterricht, und wenn wir Spazierengehen —«
Ich fiel ihr ins Wort: »Selbst wenn du nur in die Hotelhalle gehst, um einen Brief einzustecken.«
Donna sagte: »Wundert mich bloß, daß wir nicht auch noch in Strümpfen und Mieder schlafen müssen.«
Ich sagte: »Nun werde man nicht schnippisch!«
Dann folgten die Regeln für unser Privatleben. Da hieß es scheinbar ganz vernünftig, daß aufgrund der harten Ausbildung unser Privatleben ein ganz klein wenig eingeschränkt werden müsse, damit wir ausreichend Zeit zum Lernen und zum Ausspannen hätten. Und dann folgten die Tatsachen.
Wochentags (Sonntag bis Donnerstag)
1. Keine Verabredungen
2. Sie haben um 22.30 Uhr in Ihren Zimmern zu sein
Es hätte nicht deutlicher sein können. Keine Verabredungen. Sie haben um 22.30 Uhr in Ihren Zimmern zu sein. Sonntag bis Donnerstag.
»Sonntag«, rief Donna. »Sonntag abend soll ich um 22.30 Uhr hier sein?«
»Tja«, sagte ich.
Wir hatten jedoch ein wenig mehr Auslauf an den Freitagen und Samstagen. Es war uns erlaubt, Verabredungen zu haben. Und wir brauchten nicht vor zwei Uhr nachts zurück zu sein. Des weiteren konnte man in Sonderfällen die Erlaubnis erbitten, die Stadt über das Wochenende zu verlassen und bei Freunden oder Bekannten zu übernachten. Nun, das kam für mich wohl kaum in Frage, aber Donna stürzte sich geradezu darauf. »Gott sei Dank«, rief sie. »Ich hab’ überall in Florida Freunde und Verwandte, die ich seit Jahren nicht gesehen habe. Ich darf sie wenigstens an den Wochenenden besuchen und für achtundvierzig Stunden mein Mieder ausziehen.«
Und zum Schluß kam das Gesetz aller Gesetze, niedergelegt in eisernen, juristisch einwandfreien Worten. Auf keinen Fall war es männlichen Freunden oder Verwandten gestattet, Stewardeß-Anwärterinnen im vierzehnten Stock des Hotels Charleroi zu besuchen. Desgleichen war es keiner Stewardeß-Anwärterin gestattet, männliche Freunde oder Verwandte in irgendeinem anderen Zimmer oder Appartement desselben Hotels zu besuchen. Mit der freundlichen Genehmigung der Hoteldirektion konnten männliche Freunde oder Verwandte in der Hotelhalle, und nur dort, empfangen werden.
»Lächerlich«, sagte Donna.
Annette sagte: »Nun, die Idee bei alldem ist wahrscheinlich, wir sollen arbeiten, worin auch immer diese Arbeit bestehen mag. Immerhin kostet es sie ein sündhaftes Geld, uns hierherzuholen und uns einen Monat lang im Hotel unterzubringen. Also müssen sie eine Unmenge von Regeln festlegen.«
Donna wandte sich an Mary Ruth Jurgens: »Und du, wie denkst du darüber?«
»Ich?«
»Ja, du. Übrigens, wie sollen wir dich nennen? Mary oder Ruth,. oder wie?«
»Mary Ruth.«
»Gleich doppelt gemoppelt?«
»Manche sparen sich den Atem und nennen mich einfach Jurgy. Wie du willst.«
»Okay, Jurgy«, sagte Donna. »Was hältst du von all diesen blöden Regeln?«
»Die Fluggesellschaft gehört schließlich ihnen.«
»Natürlich ist es ihre Fluggesellschaft, aber das gibt ihnen noch lange nicht das Recht, uns wie Vieh herumzukommandieren.«
Jurgy sagte: »Sie haben mir keine Einladung geschickt, hierherzukommen. Ich hab’ sie darum gebeten. Sie wollen, ich soll ein Mieder und Strümpfe tragen, okay, also trage ich ein Mieder und Strümpfe. Das ist alles.«
Donna schaute sie voller Interesse an. »Jurgy, was hast du vorher getan, ehe du hierherkamst?«
»Wieso?«
»Ich frag’ nur, mein Herz. Du brauchst nicht gleich dein irisches Mißtrauen hervorzukehren. Wenn du’s mir nicht erzählen willst, dann eben nicht.«
»Ich war Kellnerin in einem Hotel, im Thripp-Hotel in Buffalo. Davor war ich Kellnerin in einem Speisewagen.«
Donna wandte sich an Annette: »Und du, Annette, was hast du vorher gemacht?«
»Ach, ich war nur Sekretärin an einer Bank.«
»Das ist ein hübscher, ruhiger Beruf.«
»Ja, sehr ruhig. Und das war der Haken dabei. Es war einfach zu ruhig.«
»He, Alma«, rief Donna, »wie findest du all diese Regeln?«
»Wie bitte?« sagte Alma. Sie packte methodisch aus, faltete Unterwäsche und verstaute sie in ihrer Kommode. Wir anderen saßen auf meinem Bett, außer Jurgy, die steif wie ein Stock mit dem Rücken an der Wand stand.
»Ich sagte: >Wie findest du all diese Regeln?<« wiederholte Donna. »Kein Herrenbesuch in den Zimmern und all
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