Töchter der Luft
gern, Mr. Brangwyn. Aber nur einen Tanz. Dann müssen wir wirklich wieder zurück in unser Appartement.«
Er ging vor mir her, und als wir an den Ausgang zur Terrasse kamen, sah ich dort an einem Tisch Mr. Garrison und den Mann mit der Hornbrille, der keine Rede gehalten hatte, als wir vorhin um halb acht angetreten waren. Sie starrten mich beide eiskalt an.
Ich wäre am liebsten tot umgefallen, auf der Stelle. Mein Gewissen schlug wie toll, wenn ich auch nicht wußte, weswegen.
Ich lächelte Mr. Garrison an. Ich schenkte ihm das süßeste, freundlichste Lächeln, das ein Mädchen in dieser Lage einem Mann überhaupt schenken kann.
Er erwiderte mein Lächeln mit einem Blick, als wäre ich eine der abstoßendsten Steinfratzen von den Osterinseln. Da hatte ich mir schön was eingebrockt, ich wußte es. Ich hatte mein möglichstes getan, die Regeln einzuhalten, und wie üblich war ich geradewegs mit der Nase in den Dreck gefallen.
Es ist so verdammt ungerecht. Jedesmal, wenn einem danach zumute ist, sich in ein kleines Rauchwölkchen aufzulösen, läßt einen der Schutzengel im Stich, und man muß die Sache allein ausbaden. Es gelang mir mit Mühe, hinter Mr. Brangwyn herzuschleichen, und der süße, leise Rumba, den sie gerade spielten, klang mir wie ein Grabgesang.
»Mr. Brangwyn«, sagte ich, »es tut mir leid. Bitte, verzeihen Sie mir. Mir ist einfach nicht nach Tanzen zumute.«
»Okay.«
Er hätte nicht verständnisvoller sein können.
»Ich möchte ein wenig auf- und abschlendern und dann, wenn Sie nichts dagegen haben, wieder zurückgehen.«
»Gerne.«
Er versuchte nicht einmal, meinen Arm zu nehmen. Wir spazierten auf und ab unter den angestrahlten Palmen, und ich roch den Duft von Jasmin in der Luft, und ich sah die Billionen von Sternen, die über uns glitzerten. Er sagte: »Hab’ ich nicht recht gehabt? Ist doch ganz hübsch hier draußen, was?«
»Es ist wunderschön!«
»Aber ich will Ihnen was sagen. Florida hat noch ‘ne Menge mehr zu bieten.«
»Wirklich?«
»O gewiß. Dies hier ist überzivilisiert. Es gibt noch Gegenden, die noch ganz unberührt sind. Da können Sie leicht Herden von wilden Schweinen begegnen, und Alligatoren.«
»Von den Alligatoren hab’ ich schon gehört.«
»Während Sie hier sind, sollten Sie die Gelegenheit benutzen und sich das alles ansehen. Es gibt da Indianerdörfer, Schwammtaucher, die Keys. Lohnt sich, das anzusehen.«
Ich sagte: »Wir dürfen die Stadt nur an den Wochenenden verlassen.«
»Okay. Dann sehen Sie es sich an den Wochenenden an.«
»Dazu braucht man wohl einen Wagen.«
Er sagte: »Nun —«
»Mr. Brangwyn, es tut mir furchtbar leid, aber ich muß jetzt wirklich wieder hineingehen.«
»Sicher. Sicher.«
Wir gingen zurück an unseren Tisch im >Zum Sonnenkönig<. Mr. Garrison und der Mann mit der Hornbrille waren Gott sei Dank gegangen. »Kommt, Kinder. Es ist Zeit, wir müssen gehen«, wandte ich mich an die beiden.
»Es ist erst Viertel nach zehn«, sagte Donna. »Wir können noch ein paar Minuten bleiben.«
»Los, erhebe dich«, sagte ich.
»Du wissen, wer eine Minute vorher fortgegangen sein?« sagte Alma. »Diese Mr. Garrison mit einer Freund, einer Mann. Ich ihm zulächeln, aber ich nicht glauben, daß er mir bemerkt haben. Er fortgelaufen in großer Eile.«
Ich legte einen Fünf-Dollar-Schein auf den Tisch für die Kellner, ich nahm meine Orchideen, und ich sagte zu Mr. Brangwyn: »Es war furchtbar nett, Sie wiederzusehen. Und herzlichen Dank für die Orchideen, sie sind wunderschön.«
»War mir ein Vergnügen«, sagte er. Seine Augen waren traurig und voller Fragen.
Wir gingen. Donna sagte: »Ich würde gem Mr. Courtenay auftreiben. Wir müssen uns zumindest noch für das Esser, bedanken.«
Ich sagte: »Donna, Mr. Garrison hat uns gesehen. Er war wütend.«
»Warum um alles in der Welt sollte er wütend sein?« fragte Donna. »Wir haben doch nichts Unrechtes getan?«
»Ich hab’ seine Miene gesehen.«
»Unsinn«, sagte Donna. »Das bildest du dir ein.«
Trotzdem verbrachte ich eine gräßliche Nacht.
KAPITEL V
Man teilte uns in zwei Gruppen ein auf die einfachste Weise — alphabetisch. Die Grenze war bei N, das hieß Mary Ruth Jurgens und Annette Morris und Alma kamen zu der Gruppe, die um drei Viertel acht das Hotel verließ; und Donna und ich in die zweite Gruppe, die um Viertel nach acht abfuhr.
Jurgy war offensichtlich ein geborener Frühaufsteher. Pünktlich um sechs Uhr war sie aus den Federn. Sie weckte
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