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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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vierzehn Tage vor einem Flug Blut zu spenden, und sollte eine Stewardeß aus irgendeinem dringenden Grund Blut spenden müssen, so hätte sie das der medizinischen Abteilung zu melden und sich einer Blutprobe und einer Hämoglobinuntersuchung zu unterziehen, ehe sie wieder fliegen dürfe. Wenn man Zucker hatte, war es aus mit Fliegen, natürlich, und wenn der Blutdruck zu hoch war, war es aus mit Fliegen, und überhaupt war die Fluggesellschaft äußerst zurückhaltend mit einer Anstellung, wenn man irgendwelche Anzeichen aufwies, daß man tot Umfallen könne, während man einem Passagier ein Glas Milch servierte. Es gab auch eine Unterleibsuntersuchung, aber das war keineswegs peinlich, weil Dr. Schwartz sie unter einem Tuch vornahm. Sie verschwand einfach eine Weile darunter mit einer Taschenlampe, und man merkte nicht einmal so genau, was sie dort tat. Als alles vorbei und ich wieder angezogen war, sagte sie: »Sie sind sehr gut, Carol. Ihr Puls geht ein wenig rasch, aber das ist nicht so schlimm.«
    Sie war so nett, ich konnte mir nicht helfen, ich mußte lachen. »Kein Wunder, daß mein Puls schnell geht«, sagte ich. »Es ist mein erster Tag hier, und das Allererste, das mir zustieß, als ich hier ankam, war, daß Mr. Garrison mich in sein Büro rufen ließ und mir eine fürchterliche Standpauke hielt. Mir ist jetzt noch ganz schwach davon.«
    Die Neuigkeit hatte sich schon verbreitet. »Gehören Sie etwa zu den dreien, die gestern abend im Charleroi in Abendkleidern diniert haben?« fragte sie.
    »Ja.«
    Sie sagte: »Sie sollen ja alle drei so fabelhaft ausgesehen haben, daß es eine Sensation hervorrief.«
    Das war ein ganz neuer Gesichtspunkt. Ich war so überrascht, ich stotterte nur: »Wirklich? Mister Garrison hat gesagt, wir hätten ewige Schande über den unbescholtenen Namen der Magna International Airlines gebracht.«
    Sie krümmte sich und lachte in sich hinein. »Ich sag’s Ihnen im Vertrauen«, sagte sie, »ich hab’ heute mit Mister Garrison zu Mittag gegessen, und er hat vor jedermann in Hörweite damit angegeben, daß Sie drei die bestaussehendsten Mädchen seien, die jemals diesen Ort betreten hätten. Ja, er ist so stolz auf euch, er benimmt sich so gluckenhaft, als hätte er euch selber ausgebrütet.«
    Sieh mal an, dieser alte Hundesohn, dachte ich; und beinahe hätte ich es laut gesagt.
    Um halb vier waren wir alle wieder in der Klasse versammelt, und Miß Webley sagte: »Uns bleibt nur noch eine Stunde heute nachmittag. Wollen mal sehen, ob wir’s noch schaffen, wie die verschiedenen Teile eines Flugzeugs heißen. Immerhin werdet ihr fliegen, und ihr könnt nicht immer nur von dem Dingsbums da drüben sprechen. Und wenn dann noch ein wenig Zeit bleibt, werden wir uns mit Flugplätzen und Kode-Bezeichnungen beschäftigen. Schlagt Seite fünf eures kleinen schwarzen Buches auf: Bezeichnungen und Definitionen.«
    Im Laufe des Tages war jeder von uns ein riesiger Band ausgehändigt worden, der mindestens drei Pfund wog und offiziell >Magna International Airlines Flugdienst-Handbuch für Stewardessen< hieß. Er war nur um eine Kleinigkeit dünner als das Telefonbuch von New York und wurde kurz das Handbuch genannt oder liebevoll das Kleine Schwarze Buch, weil er einen schwarzen Einband hatte. Wir wurden ernsthaft ermahnt, daß wir es notfalls mit unserem Leben zu beschützen hätten, und sollte es uns tatsächlich gelingen, die Ausbildung hinter uns zu bringen und wirklich Stewardeß zu werden, so hätten wir es auf all unseren Flügen stets bei uns zu tragen als Berater und Führer.
    Und hier war es, wo wir begannen, Miß Webleys wahren Charakter zu entdecken. Sie sah aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben — eine wirklich reizende, ein wenig altmodische junge Dame, schlank, graziös, schlicht gekleidet, mit weichem blondem Haar und blauen Augen und Grübchen und der allersanftesten Stimme. Verglichen mit der anderen Lehrerin, Miß Pierce, die den Eindruck erweckte, als hätte sie genügend Energie, um jeden Morgen ganz allein ein Schlachtschiff vom Stapel laufen zu lassen, sah unsere Miß Webley aus wie ein Engel der Gnade und Barmherzigkeit. Oder, wie Donna es später ausdrückte, wie ein Seelchen.
    Schreite sanft, denn du schreitest über meine Träume. Miß Webley sah aus wie ein Engel, sie lächelte wie ein Engel, sie sprach wie ein Engel — und war gesegnet mit einem eisernen Willen. Sie jagte nur so durch die Bezeichnungen und Definitionen eines Flugzeugs, und ich muß

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