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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
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nichts konnte sie davon fortlocken. Eine weitere Überraschung. Körperlich war sie eine so ausgesprochene Sexbombe, daß jeder, der sie sah, sich unwillkürlich sagte, sie bringe bestimmt jede Minute damit zu, ihre Kurven vor einem bewundernden Publikum zur Schau zu stellen. Mitnichten. Sie schuftete wie ein Gaul. Sie ging kaum aus. Sie hockte auf ihrem Bett, runzelte die Stirn über Abbildungen von >Constellation<-Kombüsen und Notausstiegen, und gab sich alle Mühe, all das aufzusaugen. Auch über sie machte ich mir meine eigenen Gedanken: sie kam wahrscheinlich aus einer armen Familie in Rom, und trotz all ihrer Romanzen mit >Freunden< wollte sie etwas aus sich machen durch eigene Kraft. Als internationale Stewardeß zu fliegen konnte wirklich ein Sprungbrett sein. Es konnte überall hinführen. Sie würde Diplomaten begegnen, Anwälten, Großwildjägern, Juwelendieben, allen Arten faszinierender Männer, während sie zu Hause höchstwahrscheinlich als die vernachlässigte Geliebte eines Automobilhändlers geendet hätte. So wie die Dinge lagen, schien also kein Grund dafür zu bestehen, ihr N. B.’s Warnung über Sonny Kee zu stecken. Sie benahm sich so, als würde sie einen Mann nicht als solchen erkennen, wenn sie einen sehen sollte.

    Am Donnerstagnachmittag erhielten wir die genaue Anleitung zur Gesichtspflege, die Miß Webley uns zu Beginn des Kurses angekündigt hatte, und zum erstenmal in meinem Leben kam ich mir vor wie ein Zulu-Krieger.
    Wir zogen nach dem Essen lange Hosen und Blusen an und gingen zurück ins Klassenzimmer. Als erstes kam eine kurze Unterweisung über Haltung. Sitzen auf einem Stuhl — das hatten wir schon gehabt. Aber es gab auch noch Aufstehen von einem Stuhl, und das war mir neu. Man löst nicht einfach sein Hinterteil vom Sitz und schleudert sich in den Raum in der Hoffnung, auf seinen beiden Füßen zu landen. O nein. Man erhebt sich, graziös. Und man tut das aus den Hüften heraus, so-o-o. Dann das Handgeben. Man packt nicht einfach zu und schüttelt. Man bietet seine Hand dar, man nimmt die Hand des anderen. Und so weiter und so weiter.
    Dann stellte Miß Webley auf unseren Tischen für jede einzelne Handspiegel auf, und wir wischten uns das Make-up mit Cold-Creme aus dem Gesicht. Das allein kam einem Alptraum gleich — all diese Mädchen, die noch vor einer Minute so verteufelt hübsch ausgesehen hatten, wirkten auf einmal wie Typhus-Kranke. Bei Gott, wir waren ein abschreckender Haufe ohne unsere Schminke.
    »Nun, Kinder«, hub Miß Webley an. »Das A und O ist folgendes. Fliegen in großer Höhe macht die Haut leicht trocken. Hinzu kommt, ihr bekommt wenig Sonne bei eurer Arbeit im Flugzeug. Kein Wunder also, daß eure Haut dazu neigt, blaß zu werden, und dem müssen wir Vorbeugen.«
    Sie schien nicht im geringsten abgestoßen zu sein von unserer Häßlichkeit. Sie redete wie immer in ihrer liebenswürdigen ruhigen Art, daß wir die Cold-Creme nach oben hin auftragen müßten, um keine Falten zu bekommen, und sie auch in gleicher Weise wieder zu entfernen hätten, nach oben, mit Zellstofftüchern. Und sogleich, nachdem wir die Creme abgewischt hätten, müßten wir ein Gesichtswasser nehmen. Als Grundlage des Make-up, so redete sie weiter, diene ein Teint — und ein flüssiger Teint müsse es sein — auf ihn komme ein loser Puder. Es gab entsetzte Rufe, es gab Schreie, es gab Stöhnen. Ich war beunruhigt, denn ich hatte noch nie im Leben ein solches Make-up benutzt — ich hatte mich eigentlich nie besonders um irgendwelches Make-up gekümmert,, abgesehen von Lippenstift und einem Hauch Puder. Aber Miß Webley verteilte Wattebäusche und Fläschchen mit flüssigem Make-up, ganz unbeirrt von ihren schreienden Schülerinnen, und erklärte, wie der Kleister aufgetragen werden müsse. »Tupft es einfach auf die Stirn, die Nasenspitze, die Wangen und das Kinn«, sagte sie, und Thompson, folgsam wie immer, tat genau, wie man es sie geheißen hatte. Sie rieb das Make-up mit kreisförmigen Bewegungen ein, wobei sie, während ihr das Zeug in die Augen drang, langsam erblindete. Ich mußte wohl etwa zehntausendmal mehr genommen haben, als ich brauchte, denn als es mir endlich gelang, mein Ebenbild im Spiegel zu erblicken, fuhr mir der Schreck in alle Glieder. Thompson! Wo war Thompson? Dies war nicht Thompson, dies war der Häuptling Wa-wa-wawa, der Stolz der Zulus und der Schrecken des Veld, und ich mochte ihn nicht, und ich schrie nach Donna.
    »O Gott«, sagte sie. »Gib mal

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