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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Spotswood
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nichts passiert. Zerknirscht versucht sie es noch einmal. Ihr Gesichtsausdruck ist genau wie der von Vater, wenn er einen schwierigen Abschnitt übersetzt.
    »Es ist schwieriger als Illusionen«, erkläre ich. »Du musst deine Energie – irgendwie zügeln. Und es ist unglaublich anstrengend. Auf dem Weg nach Hause dachte ich, ich könnte tagelang schlafen.«
    Tess zieht eine Schnute. »Bei dir sah es so einfach aus.«
    »Ist es aber nicht. Ich habe eine Stunde gebraucht, um eine Teetasse zu bewegen. Rory hat gesagt, sie hätte Wochen gebraucht.«
    »Dann muss ich wohl weiter üben, nicht wahr?« Von der Seite sieht ihr Unterkiefer aus wie meiner. Spitz und trotzig.
    »Lass uns zusammen üben. Du kannst mir bei meinen stillen Zaubern helfen, und ich helfe dir mit dem Bewegungszauber. Gib uns ein paar Wochen, und wir werden die geschicktesten Hexen von Neuengland!«
    Tess grinst mich an. »Du machst die Dinge nie halbherzig, oder?«
    Wahrscheinlich nicht.
    Am nächsten Nachmittag schließen Tess und ich uns nach unserem eigentlichen Unterricht mit Elena in Vaters Arbeitszimmer ein. Ich finde es etwas gewagt, Mutters Regel, keine Magie im Haus zu betreiben, zu brechen, aber jetzt, da Vater nicht da ist und die Hälfte der Leute im Haus Hexen sind, scheint es nicht mehr ganz so gefährlich zu sein.
    Tess sitzt auf Vaters ledernem Schreibtischstuhl und verschwindet fast darauf, und ich liege auf dem geschwungenen Sofa aus rotem Samt. Wir versuchen abwechselnd, Dinge von Vaters Schreibtisch fliegen zu lassen: Briefbeschwerer und Stifte, Stempel und Siegelwachs. Wir machen beide deutliche Fortschritte. Unter Tess’ Anleitung schaffe ich ein halbes Dutzend stiller Zauber, und sie lässt Vaters Exemplar der Metamorphosen gute zehn Zentimeter über dem Boden schweben.
    Tess ist sehr zufrieden mit uns, doch die Geschwindigkeit, mit der wir lernen, besorgt mich. Wir haben den Bewegungszauber beide sehr viel schneller gelernt als Sachi und Rory. Sogar das stille Zaubern kommt mir auf einmal nicht mehr besonders schwierig vor. Ich dachte immer, ich wäre eine schwache Hexe, aber mittlerweile frage ich mich, ob mein mangelnder Fortschritt nicht eher auf einen bisherigen Mangel an Interesse als auf einen Mangel an Fähigkeiten zurückzuführen ist.
    Vielleicht liegt es an unserem Altersunterschied, aber es gibt keinen Neid, keinen Konkurrenzkampf zwischen Tess und mir. Tess ist zwar eindeutig die Gelehrtere von uns beiden – und auch besser im Klavier- und Schachspielen –, aber was unsere magischen Kräfte angeht, sind wir offenbar ebenbürtig. Zaubern macht mit ihr tatsächlich Spaß . Ich habe nur ein schlechtes Gewissen, weil ich so lange gebraucht habe, Tess richtig zu würdigen; sie als eine Freundin zu sehen und nicht nur als kleine Schwester. Dazu ist es erst gekommen, als ich auf einmal Angst hatte, sie an Elena zu verlieren.
    Unsere Übungsstunde wird von einem energischen Klopfen an der Tür unterbrochen. »Miss Cate, Mr McLeod ist hier, um Sie zu besuchen.«
    »Ich bin gleich da, Lily.«
    Tess kommt zum Sofa gelaufen und piekst mich mit dem Füller, den sie gerade noch unter der Decke hat schweben lassen. »Wirst du Paul heiraten? Lily und Mrs O’Hare haben in der Küche darüber geredet, als sie dachten, ich würde nicht zuhören.«
    Ich gebe ihr einen kleinen Klaps. »Ich weiß es nicht. Was haben sie denn gesagt?«
    Tess kaut auf dem Ende des Füllers. »Sie denken, du musst ihn heiraten. Aber sie wissen natürlich nichts über die Schwesternschaft. Was die Schwestern wirklich sind.«
    »Denkst du – « Ich schiebe meine Zweifel für einen Moment beiseite. Wenn es das ist, was Tess und Maura möchten, werde ich mich ihrem Willen fügen. »Möchtest du nach New London ziehen und bei der Schwesternschaft studieren? Du kannst ihr nicht wirklich beitreten, bis du alt genug bist, deine Absicht zu bekunden, aber Elena sagt, sie nehmen in ihren Schulen Mädchen schon ab zehn Jahren auf. Sie sagt, sie haben beeindruckende Bibliotheken, und du könntest lesen, was immer du willst.«
    »Ja, Elena hat mir von den Bibliotheken erzählt. Das hört sich sehr reizvoll an«, räumt Tess ein. Ich lächele sie angespannt an. Natürlich hat Elena ihr davon erzählt. Aber Tess schüttelt den Kopf so heftig, dass ihre Zöpfe fliegen. »Trotzdem, ich glaube, ich bleibe lieber zu Hause. Hier kann ich mit Vater zusammen lernen, mit Mrs O’Hare backen und im Garten spazieren gehen. Elena versucht es so darzustellen, als ob New London

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