Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
jetzt gleich etwas bei? Wo ist Maura?«
Ich hole tief Luft. Tess’ Zimmer riecht köstlich nach Zimt und Muskat. Ich sehe zu ihrer Kommode hinüber, und natürlich steht da ein Teller mit frisch gebackenem Kürbisbrot. Zweifellos ihr eigenes Handwerk. »Ich denke, Elena wird ihr etwas beibringen.«
»Elena? Unsere Gouvernante Elena?« Tess starrt mich mit offenem Mund an. »Wie – warum – wie?«
Als ich fertig bin, ihr die Sache mit Elena und der Schwesternschaft zu erklären, sind Tess’ Augen so groß wie Untertassen. »Weißt du, sie hat neulich mal so eine Andeutung während unserer Französischstunde gemacht – aber ich dachte, ich hätte es mir vielleicht bloß eingebildet. Ich habe nichts über uns gesagt, ich schwöre es.«
»Ich bin auch gar nicht böse – jedenfalls nicht auf dich. Ich weiß nur nicht, ob wir ihr vertrauen können.«
»Du vertraust niemandem«, bemerkt Tess, und das Grübchen in ihrer Wange kommt zum Vorschein.
»Was denkst du denn über sie? Magst du sie?«
Tess legt nachdenklich einen Finger an die Lippen. »Ich habe nichts gegen sie«, sagt sie schließlich. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich das Beste für uns im Sinn hat, wenn sie hierhergeschickt wurde, um herauszufinden, ob wir Hexen sind, und dann darüber Bericht erstatten muss.«
Ich werfe vor Begeisterung, dass sie meinen Argwohn teilt, die Hände in die Luft. »Versuch das mal Maura zu sagen!«
Tess sieht mich an, und für einen Augenblick ist es, als ob wir die Rollen getauscht hätten und sie die Ältere, Klügere wäre. »Cate«, seufzt sie, als ob ich furchtbar begriffsstutzig wäre. »Das können wir Maura nicht sagen. Sie wird denken, dass wir bloß eifersüchtig sind.«
»Ja!«, stöhne ich und lasse mich rückwärts aufs Bett fallen. »Sie denkt, ich bin so aufgebracht, weil die beiden sich so gut verstehen.«
Tess verdreht die Augen. »Nun, es ist aber auch ziemlich lästig. Maura ist so vernarrt in sie – sie hängt Elena an den Lippen, als wäre sie das intelligenteste Mädchen auf Erden.«
Ich lache und wuschele Tess durch die Haare. »Dabei wissen wir doch alle, dass du das bist.«
»Im Ernst. Maura ahmt bereits Elenas Art zu reden nach und all ihre kleinen Eigenheiten. Sie will sie unbedingt beeindrucken. Aber ich kann das auch irgendwie nachvollziehen. Ich bin Vaters Lieblingstochter. Du warst Mutters Liebling.« Tess sagt es ganz sachlich. »Sie möchte jemanden nur für sich.«
So habe ich es noch gar nicht gesehen. »Wie kommt es bloß, dass du so schlau bist?«
Tess kichert und lässt sich neben mich fallen. »Das hat nichts mit Schlausein zu tun. Ich beobachte die Leute einfach nur.«
Womit auch immer es etwas zu tun hat, ich wünschte, ich hätte mehr Talent dafür.
»Zeit für Unterricht«, erkläre ich und setze mich auf.
»Warte.« Tess setzt sich auch auf, und ihr Haar kitzelt mich am Arm. »Woher hast du die neuen Zaubersprüche? Mrs O’Hare hat gesagt, du warst im Buchladen – hast du da etwas Neues über Magie gelernt?«
Die Geschichte mit der Prophezeiung kann noch warten. »Nein. Ich habe es von Sachi Ishida gelernt.«
»Sachi Ishida ist eine Hexe?«, ruft Tess flüsternd aus.
Ich lache und erzähle ihr, wie Sachi und Rory mich beim Tee überfallen haben. Dann sammele ich meine Energie. Ich denke daran, wie Elena mir gedroht hat, und lasse die Wut in meine Magie fließen, dabei passe ich auf, dass sie gleichmäßig vor sich hin köchelt.
»Agito«, sage ich, und Tess’ zerlumpter alter Teddybär, Zyklop, erhebt sich in die Luft.
» Desino .« Er fällt wie ein Drache ohne Wind wieder herunter auf die Kissen.
Tess schaut mich mit großen Augen an.
Ich bin auch überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass es gleich beim ersten Versuch klappt.
»Das hast du heute gelernt?«, fragt Tess.
»Ja.« Ich halte die Luft an und erwarte schon, dass sie sagt, dass das unmöglich ist. Dass ich lüge.
»Das ist großartig!« Sie hüpft auf dem Bett. »Kann ich es probieren?«
»Unbedingt. Nur – «
»Sei vorsichtig«, sagen wir beide gleichzeitig, und ich muss lachen. Bin ich so durchschaubar?
Tess konzentriert sich auf Zyklops friedliches, einäugiges Gesicht. Er hat vor Jahren eines seiner schwarzen Knopfaugen verloren, aber Tess wollte nicht, dass Mrs O’Hare es ersetzt. Sie meinte, es würde ihn interessanter machen, und hat ihn von Barnabus zu Zyklop umbenannt.
Tess holt tief Luft und lässt sie langsam wieder entweichen. »Agito«, sagt sie, aber
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