Töchter des Mondes - Sternenfluch (German Edition)
nur noch locker auf meinen blonden Haaren ruht, die mir in geflochtenen Zöpfen um den Kopf liegen.
Ich würde am liebsten über den Platz gehen, Finn bei der Hand nehmen und ihn weit von hier wegführen. Ihn an einen Ort mitnehmen, wo ich unter vier Augen mit ihm sprechen und ihm die Wahrheit sagen kann: dass ich ihn liebe, dass ich ihn immer lieben werde, egal, wozu sie mich zwingen mögen.
Ob er mich noch liebt? Ob er mir verzeihen kann, was ich ihm angetan habe?
Als ich den Blick wieder hebe, sieht er direkt zu mir herüber. Ich stolpere rückwärts und greife, ohne nachzudenken, nach Rillas Arm. Meine Gefühle müssen mir sogar von Weitem anzusehen sein, doch Finn lässt sich nichts anmerken. Vermisst er mich wenigstens ein bisschen? Diese schreckliche Sehnsucht, dieses Verlangen, über den Rasen zu laufen und mich ihm in die Arme zu werfen, kann doch nicht nur von mir ausgehen, oder?
»Finn«, hauche ich. Es ist wie ein Seufzen, ein Liebeslied, eine Bitte um Vergebung.
Doch er dreht sich weg.
Ungefähr zwanzig Meter und Hunderte von Menschen trennen uns, und trotzdem fühlt es sich an wie eine Zurückweisung.
»Cate?« Meine Zimmergenossin sieht mich mit ihren haselnussbraunen Augen besorgt an. Wie oft hat sie schon meinen Namen gesagt? »Cate, geht es dir gut?«
»Ja.« Meine Stimme versagt. Ich presse meine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger und halte die Luft an, darum bemüht, die Tränen zurückzuhalten.
Da sehe ich aus den Augenwinkeln etwas Rosafarbenes aufblitzen. Sashi Ishida, meine beste Freundin aus Chatham, und ihre Halbschwester Rory Elliott winken wie verrückt mit ihren Taschentüchern, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ich schnüre meine Kapuze wieder fester, um mein Gesicht und die dummen, verräterischen Tränen zu verbergen, die entgegen all meiner Bemühungen, sie zurückzuhalten, jeden Moment fließen werden. »Ich bin gleich wieder da, Rilla«, sage ich. »Da drüben sind zwei Mädchen, die ich kenne.«
Ich schlängle mich durch die Menge und weiche Fangen spielenden Kindern aus. Sachi und Rory haben einen erstklassigen Platz unter einem Rotahorn am Rande des Platzes. Ein paar kleine Mädchen spielen in der Nähe, aber es sind keine Erwachsenen in Hörweite. Ich falle Sachi um den Hals und reiße sie mit meiner stürmischen Umarmung beinah zu Boden. Ich weiß, so ein Verhalten ziemt sich nicht, aber das ist mir gleichgültig. Sachi drückt mich fest an sich, und der graue Pelzkragen ihrer Kapuze kitzelt mich an der Nase. Rory küsst mich mit schmatzenden Geräuschen auf die Wangen. Wenn mir vor zwei Monaten jemand gesagt hätte, dass diese beiden Mädchen meine getreuen Freundinnen werden würden und ich sie mit solch aufrichtiger Freude begrüßen würde, hätte ich die Person für verrückt erklärt.
»Ich freue mich so, euch zu sehen! Was macht ihr in New London?«, frage ich.
»Dasselbe könnten wir dich fragen, Schwester «, entgegnet Rory.
Sachi betrachtet mich mit ihren dunklen Augen. »Ja, was zum Teufel hat dich geritten, der Schwesternschaft beizutreten, Cate?«
»Ich weiß nicht, was du meinst. Ich bin sehr glücklich hier in New London«, sage ich ausweichend mit einem Blick über die Schulter. Ein kleines blondes Mädchen ist beim Spielen hingefallen und lässt sich von seiner indisch aussehenden Freundin aufhelfen und den Staub vom blauen Umhang klopfen.
»Lügnerin.« Rory nimmt wie immer kein Blatt vor der Mund. »Du hast geweint, das sehe ich doch.«
»Du musst es ja nicht sofort erzählen«, sagt Sachi und wirft mir einen Seitenblick zu. »Vater ist wegen der Ratsversammlung hier. Finn auch. Du hast ihn wahrscheinlich schon entdeckt? Hat er mit dir geredet?«
Ich schüttle den Kopf. Der Knoten in meinem Hals ist wieder da, und ich bringe kein Wort heraus.
»Oh, Cate, du siehst ja furchtbar aus.« Sachi wirft mir ihr rosafarbenes Spitzentaschentuch zu.
»Hat er …«, ich wische mir über die Augen, kämpfe um ein letztes bisschen Würde, verliere jedoch, »hat er etwas über mich gesagt?«
Sachi runzelt die Stirn. »Zu mir? Nein. Aber ich bin ja auch nicht gerade seine Vertraute. Vater findet ihn übrigens wunderbar. Er redet ständig über Finn, wie genial er ist und dass er die Buchhandlung seiner Mutter geschlossen hat und so weiter. Aber auf der Kutschfahrt hierher – wenn Vater mal eingeschlafen ist, und er sich unbeobachtet gefühlt hat – sah er ziemlich unglücklich aus. Genau wie du jetzt«, erklärt sie und berührt meinen Arm. Sie
Weitere Kostenlose Bücher